Alleingang: Kriminalroman (German Edition)
Hof geschah, wo sich jetzt Trauergäste aufstellten, bekam er mehr mit, als man vermutete. »… kurz vor dem Anschlag aufgenommen worden.«
»Oh, das ist aber …« Seelmann wurde rot. »Könnten wir das Video sehen?«
»Warum denn?«
Seelmann schluckte. »Solche Ereignisse … Also, so ein Anschlag …, das zieht natürlich Ermittlungen nach sich. Die verantwortlichen Kommandeure müssen sich ein Bild darüber machen, was genau geschehen ist. Auch in der betroffenen Garnison.«
»Aber ich weiß nicht, ob …«
Seelmanns Ton wurde schärfer. »Schon allein aus Gründen des Schutzes vor weiteren Anschlägen müssen wir …«
»Das Video ist vor dem Anschlag aufgenommen worden. Was wollen Sie also aus ihm über einen Anschlag erfahren, von dem damals noch keiner etwas wusste?«
Seelmann legte den Kopf zur Seite, hob den rechten Arm und schüttelte die offene Hand. »Na ja, unsere Spezialisten haben da schon ihre Möglichkeiten. Vielleicht hat Ihr Mann etwas gesagt, was von Belang sein könnte … für den Anschlag.« Seelmann lauerte.
»Was für ein Video?«, fragte Felix.
Marie bekam eine Stinkwut. Sie spürte, dass es Seelmann nicht um sie ging oder um den Jungen.
Felix stampfte auf. »Ich will das Video auch sehen. Ist Papa da drauf?«
Marie legte ihm die Hände auf die Schultern. »Ich zeige es dir bei Gelegenheit.«
Sie warf Seelmann einen bösen Blick zu. Der stürzte zum Telefon. »Also, wenn die Limo nicht bald kommt, geschieht hier ein Unglück.«
Es wurde an die Tür geklopft. »Herein!«, brüllte Seelmann so laut, dass Felix zusammenzuckte. Ein junger Soldat im kurzärmeligen Hemd erschien und brachte auf einem ovalen Stahltablett eine Flasche Fanta und ein Glas. Er hatte es noch nicht auf dem Beistelltisch neben dem Besuchersofa abgestellt, da machte Felix sich schon darüber her. Der Junge trank gierig; sein Schlucken war zu hören.
»Das nächste Mal aber ein bisschen flotter!«, fuhr Seelmann den jungen Mann an.
Der Unterstellte nickte apathisch und verschwand.
Sobald er die Tür hinter sich geschlossen hatte, fragte Seelmann: »Was hat Ihr Mann für einen Eindruck auf Sie gemacht?«
Obwohl Marie es nicht richtig fand, sich in Felix’ Gegenwart darüber zu unterhalten, antwortete sie: »Keinen guten.«
»Hat er etwas verlauten lassen? Ich meine, etwas, was mit seinem Einsatz zu tun hatte …«
»Er sagte, es sei etwas schiefgelaufen.«
»Frau Blau, Sie müssen uns dieses Video zeigen! Es ist wichtig.«
Irgendetwas an diesem offiziösen Ton störte Marie. Vor allem aber fand sie, dass sich Seelmann Felix gegenüber rücksichtslos verhielt. »Das Video ist privat. Niemand wird es sehen.«
Seelmann wich etwas zurück. »Denken Sie noch mal darüber nach, Frau Blau! Auch in Ihrem Interesse.«
»Wollen Sie mir drohen?«
»Um Gottes willen. Wir machen uns Sorgen um Sie. Ich sagte ja schon: Ich will Sie warnen.«
»Vor Herrn Theobald?«
Seelmann wirkte etwas konfus. »Genau. Vor dem besonders. Aber auch vor den Medien.«
»Was ist mit Herrn Theobald?«
Seelmann zog die Augenbrauen hoch. »Was hat er Ihnen erzählt? Über sich, meine ich.«
»Dass er Militärgeistlicher ist. Dass seine Zeit abgelaufen war.«
Seelmann spitzte die Lippen, dann sagte er: »Gunter Theobald ist kein Militärgeistlicher mehr. Und er ist auch nicht nach Hause geschickt worden, weil seine Dienstzeit zu Ende war.«
»Warum denn sonst?«
»Er hat gegen Dienstvorschriften verstoßen. Herr Theobald ist aus der Bundeswehr ausgeschlossen worden. Soweit ich weiß, prüft die Kirche gegenwärtig auch, ob er als Geistlicher noch tragbar ist.«
»Aber was hat er sich denn zuschulden kommen lassen?«
»Tut mir leid, aber das darf ich Ihnen nicht sagen. Es ist truppenintern und unterliegt der Geheimhaltung.«
Aber mein Video, das Karl nur für mich gemacht hat, das willst du sehen, dachte Marie.
»Man hat mir gesagt, die Bundeswehr wollte die Namen der Gefallenen geheim halten. Wie kommt es dann, dass eine Reporterin von Spiegel-TV bei mir angerufen und mich um ein Interview gebeten hat?«
Der Staatssekretär wirkte etwas genervt: »Sie wissen doch, Frau Blau: Das sind keine Gefallenen. Das sind …«
»Woher wusste Spiegel-TV, dass mein Mann unter den Betroffenen ist?«
»Die Journaille hat ihre Kanäle. Über Indiskretionen erfährt sie, was sie wissen will. Wir haben jedenfalls dichtgehalten.«
Marie fand, dass Seelmann etwas leichtfüßig über diese Angelegenheit hinwegging.
»Sie behaupten, uns vor
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