Alleingang: Kriminalroman (German Edition)
ausgerichtet.«
Marie fiel die CD mit der Botschaft von Karl ein. Sollte sie sie erwähnen?
Nein, lieber nicht. Sie war ja auch verschwunden.
Hatte der Staatssekretär Seelmann die CD nicht unbedingt sehen wollen? Die beiden waren doch aus dem Verteidigungsministerium. Kamen sie im Auftrag Seelmanns? Wegen der CD?
»Seit seinem ersten Besuch bei mir habe ich Herrn Theobald nicht wieder gesehen.«
Marie wunderte sich, mit welcher Gelassenheit sie log. Dabei hatte sie keine Übung darin. Im Gegenteil: Sie hatte sich immer vor dem Lügen gedrückt.
Die beiden schauten sich etwas betreten an. Glaubten sie ihr? Oder durchschauten sie sie?
Die CD mit dem Video von Karl. War es möglich, dass der Staatssekretär sie sich besorgt hatte? Dass jemand in ihr Haus eingedrungen war?
»Wir möchten Sie um etwas bitten. Würden Sie sich melden, falls Gunter Theobald bei Ihnen erscheinen sollte?«
Was sollte sie dazu sagen? Nicht ja und nicht nein.
»Was ist mit Herrn Theobald?«
Wenn sie ihre Hilfe wollten, mussten sie ihr schon etwas mehr sagen.
Die beiden warfen sich wieder unsichere Blicke zu. »Wir müssen da einiges klären. Fragen, die Herrn Theobald angehen. Es geht um gewisse Vorgänge … Vorgänge, die wir untersuchen müssen.«
»Wovon sprechen Sie?«
»Na ja, Vorgänge in Kundus. In Zusammenhang mit dem Anschlag, bei dem Ihr Mann ums Leben gekommen ist.« Beide studierten ihre Reaktion. Offensichtlich wollten sie Marie verunsichern.
»Sie glauben also, Gunter Theobald hat etwas mit dem Anschlag auf meinen Mann zu tun?«
Sie schüttelten die Köpfe. »Das haben wir nicht sagen wollen. Wir müssen die Vorgänge prüfen. Schließlich hat es Tote gegeben. Und Herr Theobald, nun, er hat sich verdächtig gemacht …«
Was bildeten die beiden sich ein? Glaubten sie wirklich, ihr mit solch vagen Andeutungen Angst machen zu können? »Womit hat er sich denn verdächtig gemacht?«
»Er hat die Soldaten politisch zu beeinflussen versucht. Und er hat Kontakt mit Gruppen aufgenommen, die der Bundeswehr feindlich gegenüberstehen.«
Der andere Zwilling machte einen Schritt auf Marie zu. »Es läuft bereits ein Verfahren gegen ihn. Wir raten Ihnen, nicht mit ihm zu sprechen.«
»Ihr Mann hätte das nicht gutgeheißen«, sagte sein Begleiter. Er klang, als hätte er lange an diesem Satz geübt.
12.
Die Bundeswehr kümmerte sich um alles. Marie musste nur den Termin für die Beerdigung festsetzen. Sie entschied sich für einen Freitagvormittag. Da war Felix in der Schule.
Er sollte nichts mitbekommen. Für Marie allein war es schon schwer genug.
Sie hatte mit Karl gesprochen und sie wusste, dass er am Leben war. Aber sie konnte die Beerdigung nicht einfach verbieten. Außer ihr und Felix wusste niemand, dass sich Karl irgendwo in Kundus versteckte. Und Karl hatte ihr aufgetragen zu schweigen.
Und niemandem etwas erzählen. Nichts. Auch nicht, dass ich angerufen habe.
Marie hatte auf einer Beisetzung in aller Stille bestanden. Der Termin wurde nirgendwo bekannt gegeben. Nur der Pfarrer wusste davon. Marie hatte ihm erklärt, sie wolle wegen Felix keine öffentliche Beerdigung. Daraufhin hatte er angeordnet, dass auf dem Friedhof ein Grab für einen unbekannten Toten gegraben wurde. Die Bundeswehr brachte den Sarg in einem neutralen Fahrzeug nach Koserow und stellte ihn in der Leichenhalle ab. Zwei Uniformierte hielten Wache.
Vor der Halle warteten zwei Kameraden von ihnen darauf, den Sarg zu Karls Grab zu tragen. Auch das hatte die Bundeswehr arrangiert. Ein ziviles Beerdigungsunternehmen wurde nicht gebraucht.
Marie war die einzige Teilnehmerin an der Beisetzung. Sie hatte in Berlin darum gebeten, dass keine offiziellen Gäste geschickt wurden.
Die beiden Soldaten, die vor der Leichenhalle standen und rauchten, nickten ihr zu. Marie war erleichtert, dass sie keine Anstalten machten, ihr ihr Beileid auszusprechen. Sicher wussten sie nicht, dass sie die Frau desjenigen waren, den sie beerdigen sollten. Marie trug keine schwarzen Sachen. Sie hatte ihren weiten, graublauen Herbstmantel angezogen.
Sie betrat die Leichenhalle. Die Uniformierten, die sich eben noch flüsternd unterhalten hatten, standen stramm und schauten schweigend die gegenüberliegende Wand an.
Marie trat an den Sarg. Er war aus einem edlen, dunkelbraunen Holz.
Sie kniete auf dem Bänkchen vor dem Sarg nieder.
Sie legte ihre Hände über ihr Gesicht. Aber weinen wollte sie jetzt nicht. Dafür gab es ja auch keinen Grund mehr. Oder?
Die
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