Allem, was gestorben war
war.
Mit schwarzem Kugelschreiber hatte jemand in Versalien geschrieben:
HALT ... FINGER ... AUS ... XR
Er wandte den Kopf ab, schloss die Augen und schaute wieder. HALT . FINGER . AUS . XR. Einigermaßen deutlich. Was machte man mit Fingern? Man steckte sie irgendwo hinein. Oder sollte sie heraushalten. Halt die Finger raus. Vielleicht. Das Problem lag in dem XR.
Xerx.?
Er hatte das merkwürdige Gefühl, dass es irgendwo in seiner Vergangenheit eine Antwort gab oder zumindest Teile einer Antwort.
Ihm wurde wieder schlecht. Der Schlag auf den Kopf, die Verwüstung um ihn herum, er spürte, wie sein Blutdruck hochschnellte, die Hitze bis in die Ohrläppchen stieg, diese ... Sache im Kühlschrank. Er sah jetzt genauer hin und erkannte, dass der Finger nicht von einem Menschen stammte, es war ein künstlicher Finger, vielleicht von einer Schaufensterpuppe. Das war eine befreiende Entdeckung, aber der Effekt war unverändert stark.
Jonathan Wide merkte jetzt, dass er Hilfe brauchte.
Er ging zurück ins Schlafzimmer, setzte sich auf den Fußboden neben das Bett, hob den Telefonhörer ab und drückte eine Nummer ein.
»Praxis Doktor Tommysson.«
Gab es noch jemanden auf der ganzen Welt, der so hieß? Tommysson?
»Ist der Dok. ist Anders da?«
»Wer spricht denn da?«
Er sah die Frau vor sich, der Kittel, der sich bei jeder Bewegung spannte. Ein Namensschild und eine trockene, kräftige Hand, die den Telefonhörer hielt.
»Hier ist Jonathan Wide.«
»Einen Augenblick.«
Drei Sekunden Stille. Das Scharren eines Stuhls, der über eine unebene Fläche geschoben wird.
»Jonathan! Wie ist die Lage, wie man so sagt?«
»Im Augenblick sehr schief, Anders.«
»Du weißt, du hast die Wahl.«
»Diesmal geht es nicht um Alkohol.«
»Alkohol ist der Grund für das meiste.«
»Aber nicht dafür.«
»Das musst du mir erklären. Möglichst innerhalb von drei Sekunden.«
Er erklärte es. Es dauerte etwas länger als drei Sekunden.
»Kann man auf dem Bett noch liegen?«
»Ja.«
»Leg dich hin und warte. Du scheinst eine ordentliche Gehirnerschütterung zu haben. Ich bin in ungefähr einer halben Stunde dort. Vielleicht müssen wir noch ins Krankenhaus.«
Jonathan Wide sah ein Behandlungszimmer vor sich, und was er sah, gefiel ihm nicht. Allein der Gedanke daran sorgte dafür, dass er sich gleich besser fühlte.
»Ich hab eigentlich nur an eine Spritze oder Pille oder so was gedacht.«
»Ist das Freundschaft? Möchtest du nicht von deinem alten Freund umsorgt werden?«
»Ich fühl mich tatsächlich schon ein bisschen besser.«
»Du kapierst das alles nicht. Der Arzt ist der Einzige, der es weiß. Hast du nicht die Geschichte von dem alten Mann gehört, der im Sterben liegt und schließlich einschläft? Der Arzt, der gerade da ist, beugt sich über ihn und sagt: >Der Alte ist ja schon tot.< Da wird der Alte wieder munter und sagt: >Aber noch lebe ich.< Da beugt sich die Frau vom Alten rasch vor und sagt: >Still, mein Kleiner, das weiß der Doktor besser als du!< Hast du die schon mal gehört, Jonathan? - Jonathan?«
Er hatte sie schon mal gehört und alle anderen Patienten von Doktor Anders Tommysson auch. Wide hatte den Hörer schon aufgelegt, bevor Tommysson fertig war. Er hatte den Rat befolgt und sich auf seinem Bett ausgestreckt. Er schloss die Augen.
Als das Telefon klingelte, blieb ihm fast das Herz stehen. Der Klingelton war laut gestellt und dröhnte durch seinen Körper wie ein Granatenhagel. Wie oft hatte er schon daran gedacht, den Ton leiser zu stellen . Er hob den Hörer ab, als wäre es ein Sprengsatz, lauschte, sagte aber nichts.
»Ist da Jonathan Wide?«
Eine Frauenstimme, exaltiert, aber sie schien unter Kontrolle zu sein. Er war daran gewöhnt, Stimmen in den unterschiedlichsten Situationen einzuschätzen.
»Ja .«
»Mein Name ist Lea Laurelius.« »Ja .?«
»Ich brauche Hilfe.«
5
Sie sah eine Amsel, die ihren Futterplatz bewachte, drei Krümel, auf Abstand die Meisen, bis sich eine drei Hüpfer näher wagte. Die Amsel hob den Schnabel und dann den ganzen Körper, einen Augenblick sah sie wie ein schwarzer Stein im Laubwerk aus, bevor sie in die Sonne flog.
Sie sah ihren Mann an.
»Noch ein Tag in der Welt der Männer.«
Sten Ard massierte seinen Nasenrücken, den Blick auf einen Punkt über ihrem Kopf gerichtet.
»Ich glaub, mir wachsen Haare auf der Nase.«
»Das kommt daher, weil du so ein Mann bist. Weil du dich in einer männlichen Umgebung aufhältst, einer kraftvollen
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