Allem, was gestorben war
hätte ein attraktiver Mann sein können. Die tiefe Falte zwischen den Augenbrauen würde er nie mehr loswerden. Sie hatte ihn nicht so klein in Erinnerung. Trotzdem wirkte er groß, vielleicht weil sie sich noch nicht aufgerichtet hatte. Vielleicht war er einer dieser Männer, die eine gewisse Körpergröße ausstrahlen. Das hatte nichts mit der tatsächlichen Größe zu tun.
Er trug einen hübschen Verband um den Kopf. Wenn sie diese Szene in einer Komödie gesehen hätte, sie hätte gelacht.
Sie saß in einer Sofaecke. Er hatte ihr einen Verband angelegt, und ihm war heute zum zweiten Mal schlecht geworden. Mit dieser Frau hatte er nun mehr gemeinsam, als er sich in seinen schlimmsten Albträumen hätte vorstellen können.
Er war gekommen, und jetzt musste sie etwas sagen. Lea Laurelius war es, als spräche sie zum ersten Mal.
»Sie sind doch noch gekommen. Ich hatte das Gefühl, dass alles zu spät ist.«
»Was zu spät ist?«
»Dass Sie es nicht hierher schaffen würden . nicht kommen würden.«
»Das hab ich nicht gemeint.«
»Entschuldigung, was haben Sie gefragt?«
Wide hielt einen Becher mit Kaffee in der Hand. In der Küche hatte er eine Dose Nescafe gefunden und eine ordentliche Portion von dem Pulver in den Becher gegeben. Auf einer Anrichte eine Flasche Cognac, Renault, der schwarze. Im Flugzeug oder auf der Fähre gekauft? Oder konnten sie es sich leisten, den richtig guten Alkohol im staatlichen Schnapsladen zu kaufen?
Er kochte Wasser und goss es über den Kaffee, gab Cognac dazu und widerstand dem Impuls, ein kleines Glas direkt zu trinken - oder aus der Flasche -, brachte der Frau den Becher und machte es ihr so bequem wie möglich. Sie trank in kleinen Schlucken und er sah eine Andeutung von Farbe in ihr Gesicht zurückkehren.
»Wir können uns ruhig duzen.«
»Wie bitte?«
»Wir können uns duzen. Ich bin allein im Haus.«
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
Er gab ihr noch einmal zu trinken.
»Ich hab mich beeilt. Die letzte Zeit war nicht gerade erholsam. Wir haben beide ungebetene Gäste gehabt.«
»Wie spät ist es eigentlich? Noch Vormittag? Es hat nicht an der Tür geklingelt. Plötzlich waren sie im Haus. Alles ist sehr schnell gegangen.«
»Ist das passiert, nachdem du mich angerufen hast?«
»So muss es gewesen sein.«
»Warum hast du meine Hilfe - ich meine, vor diesem Hausbesuch gebraucht?«
Sie schaute über das Zimmer und er folgte ihrem Blick, er sah eine hellgelbe Tapete mit weißgelber Borte als Deckenleiste, die Decke weiß gestrichen mit diskreter Stuckatur um die Lampenaufhängung. Rechts stand eine Stehlampe mit einem Schirm, der wie ein Sombrero aussah, neben einem Kunstwerk, das Wide für ein Motiv aus Monets Garten in Giverny hielt. Er war dort gewesen, mit Jon und Elsa, sie hatten sogar im Hotel Strasbourg in Vernon gewohnt, wo Alice Monet Pätes geholt hatte.
»Ich habe mich bedroht gefühlt.«
»Von wem? Von denen, die hier waren?«
Sie zögerte. Ihre Augen waren ein wenig klarer geworden, als ob ein graues Häutchen langsam von ihrem Kopf gezogen würde. Wann würde sie die eigentümlich formelle Haltung aufgeben und sich zu erkennen geben, drei Worte oder mehr über ihre frühere Begegnung sagen? Sollte er jetzt selbst etwas sagen? Er wollte es schon, aber er wusste nicht, wie er anfangen sollte. Sein Kopf war ganz leer, die Erinnerung hielt die Worte in ihm fest. Er zuckte leicht zusammen, als sie schließlich auf seine Frage antwortete.
»Ich weiß es nicht. Ich hab nichts deutlich gesehen. Alles ging wahnsinnig schnell.«
Jetzt nahm sie seinen Geruch wahr. Er roch nach Schweiß, aber es war ein ... sauberer Schweiß. Ein Mann, der ein Leben ohne Körperspray führte. Gab es das noch?
»Haben sie etwas gesagt?«
»Es ging alles so schnell. Ich glaube, es waren drei Männer - oder zwei . Plötzlich waren sie da und ich bekam einen Schlag.«
Sie hämmerte kraftlos auf das gequälte Sofa, als wollte sie ihren Worten Nachdruck verleihen. Er roch den Kaffee im Becher, den Cognac.
»Kleidung?«
»Wenn Sie ... du ... meinst, ob sie angezogen waren, ja.«
Lächelte sie etwa?
»Ich meine, ob dir etwas Besonderes aufgefallen ist. Schwarze Kleidung. Anzüge. Clownsausrüstung . so was.«
»Nein, nichts. Ich bin einmal kurz zu mir gekommen und hab einen von ihnen gesehen - oder den Schatten von einem, der über mich gebeugt stand. Dann ist wieder alles schwarz geworden.«
Wide erkannte den Geruch jetzt. Das war nicht Äther, etwas, an das
Weitere Kostenlose Bücher