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Allem, was gestorben war

Allem, was gestorben war

Titel: Allem, was gestorben war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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gegangen, ohne den Apparat abzustellen.
    Wide schlief. Sein Kopf lehnte leicht gegen ein Kissen, das sich mit seinen Atemzügen leicht bewegte.
    Es sieht friedlich aus, dachte Ard, Menschen sind so verletzlich im Schlaf, selbst die Verhärtesten bekommen weiche Züge, in denen man noch einen Rest Menschlichkeit entdeckt, selbst noch in der Sekunde, wenn sie erwachen und nach dem Revolver unterm Kopfkissen greifen.
    Er hatte überraschende Hausbesuche gemacht bei Leuten, die noch den Schlaf im Gesicht hatten. Er hatte richtig gehandelt, sich aber wie ein Vergewaltiger gefühlt. Nirgendwo auf der Welt wurde er den Gedanken an die Hausbesuche los, in den Dämmerstunden, wee wee hours, im Buenos Aires der siebziger Jahre oder im Bukarest der achtziger Jahre, in China, die Bruderschaft klopfte an Türen oder trat Türen ein, und alle handelten richtig. Erst kam die Schutzpolizei, das Gesetz kam eventuell später.
    Sten Ard erhob sich und ging in den Flur. Er sah sich selbst in dem gesprungenen Spiegel, und ihm wurde klar, dass er nicht geschlafen hatte ... seit wie vielen Stunden war er eigentlich auf den Beinen?
    Er ließ die Tür mit einem vorsichtigen Klicken hinter sich ins Schloss gleiten.
    Die Sommernacht näherte sich träge der Dämmerung. Einige Taxis fuhren die letzten Kneipengäste nach Hause.
    Am Munkebäckstorg half ein Chauffeur einem jungen Mann die Balance zu halten, während der sich an einer kleinen Betonmauer übergab. Wie oft das passierte, Mägen, die das Maß nicht kannten.
    Hundert Meter vom Radiotorget entfernt schrie ein Mann »Reingelegt, du Scheißkerl!« und rannte von einem Taxi weg, während der Chauffeur verwirrt abwechselnd auf den Fünfhunderter schaute, den er als Sicherheit vor der Fahrt gefordert hatte, und die Quittung über 372 Kronen, die er dem Mann übergeben wollte, der jetzt nach links aus dem Blickfeld verschwand.
    Am Korsvägen stand eng umschlungen ein Paar mittleren Alters, während beide intensiv versuchten, sich zu erinnern, wie der andere hieß.
    Am Stigbergstorget wich ein betrunkener Siebenund-zwanzigjähriger einer Katze aus und schoss geradewegs über die Kreuzung in Bengans Schaufenster hinein, die Auslagen des Plattenladens wurden mit einem dissonanten Rückkoppelungsgeräusch über den Gehweg verstreut, das gut zu der Schaufensterdekoration, einer Grungeband aus dem Nordwesten der USA, passte.
    »Hier ist es, oder?«
    Ard wurde mit einem Ruck wach und riss eine Sekunde später die Augen auf wie jemand, der schnell und überraschend eingeschlafen ist und auf die gleiche Weise erwacht.
    Er atmete den Duft des kleinen Gartens ein, näher konnte man dem Mittelmeer kaum kommen: die warme Luft, die Grillen.
    Es gab wenige, die sich nicht nach Regen sehnten. In Schweden war es normal, dass die Leute anfingen, sich Sorgen zu machen, wenn die Sonne zwei Tage lang geschienen hatte, der Boden ist so trocken. Dies war ein Land, wo achtzig Prozent der Bevölkerung seit drei Generationen Bauern gewesen waren, und es dauerte noch ein bisschen, bis die Sorge um Ackerflecken und Felder ausgelöscht war. Aber jetzt gab es wenigstens Grund zur Sorge. Der Boden war trocken. Das Landesinnere sah aus wie die ausgedörrten Salzseen in Südeuropa. Die Bauern konnten einem Leid tun.
    Zum ersten Mal hatte Ard Mitleid mit einer Berufsgruppe, die sich immer und in jeder Situation selbst Leid tat. Die Bauern weinten, aber die Tränen reichten nicht für die Bewässerung der Felder.
    Ards Müdigkeit war verschwunden. Der kurze Schlaf hatte ihn erfrischt. Er ging in die Küche und schloss leise die Tür hinter sich. Er sah in den Kühlschrank. Butter, Wurst vom Lebensmittelladen am Kungstorget, er wusste nicht, ob sie serbisch, kroatisch oder bosnisch war, aber sie machte süchtig. Manchmal dachte er daran, was mit seiner Wurst passieren würde . wurde sie im früheren Jugoslawien hergestellt? Wie funktionierte die Lieferung?
    Er hatte nicht gewagt zu fragen. Es wirkte ungerecht, nach dem Überleben der Wurst zu fragen, wenn die Umstände so schwierig waren.
    Er bestrich drei weiche Scheiben Roggenbrot mit Butter. Eins belegte er mit Eierscheiben, drapierte drei Sardellen darüber und bestreute alles mit Kresse. Dann schnitt er die Wurst in Scheiben, mischte sie mit Tomatenscheiben und griechischem Schafskäse und verteilte alles auf den beiden anderen Scheiben Brot. Er legte sie auf einen großen Teller mit einem Häufchen Knoblaucholiven und einigen Stücken eingelegter Auberginen daneben.

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