Allem, was gestorben war
hübschen kleinen Frau gewesen, die bei einer Bank in den westlichen Vororten arbeitete und ihn mit ihren grünen Augen länger fixiert hatte, als sie dürfte. Als einer dieser Proleten allzu nah kam, war Björcke lächelnd einen Schritt zur Seite getreten, er hatte gar nichts gesagt wie viele der anderen schönen Männer. Björcke hatte nur seine gute Laune zur Schau gestellt, und er wusste, dass es dieser Frau imponieren würde. Sie hatte es später gezeigt, diese Offenheit für einen Fremden . Er dachte oft darüber nach. Irgendwo hatte er einen Artikel über einsame Männer gelesen, die einer Frau noch nie richtig nah gewesen waren. Das verstand er nicht. Er selbst musste sich wehren. Manchmal fragte er sich, ob ihn ein spezieller Duft umgab ... ob ihm das - in den Augen der Gesellschaft - Entsetzliche seiner Tätigkeit eine erhöhte Anziehungskraft verlieh. Frauen wurden von Gewalt und Macht angezogen, von Aggressivität und Brutalität. Davon war Björcke überzeugt. Er wusste, dass das nicht alles war, aber der Gedanke gefiel ihm. Manchmal stimmte es. Das reichte ihm.
Er ging an der Garderobe vorbei und wartete in der Nähe der Bar. Zehn Minuten würde er sich noch zurückhalten. Er bekam Augenkontakt zu einer Frau. Sie stand sechs Meter entfernt. Klare Züge, stark geschminkte Lippen, was paradoxerweise den Eindruck von Frische unterstrich, hellblaue Augen. Ein geblümtes Kleid, als wäre sie von einer Sommerwiese hereingetanzt gekommen. Sie warf ihm einen Blick zu, den er ironisch auffasste, auch eine Art, seine Zeit zu verbringen, er hob als Antwort die Augenbrauen und zeigte zur Theke, dann auf sich selber, hielt zwei Finger hoch und zeigte dann zum Ausgang zum Brunnspark. Und sie verstand, sie nickte, löste sich aus dem Gedränge und wartete auf ihn, als er mit den beiden Biergläsern kam. Er begriff das nicht. Bald würde er sich wieder wehren müssen.
13
Sie hatten eine Menge zu besprechen. Nicht etwa über das Wetter. Es war Mitternacht geworden, und Ard hatte Wide endlich erwischt.
»Du siehst aus, als würde es dir nicht gut gehen.«
»Scharf beobachtet.«
Jonathan Wide ging es trotzdem etwas besser als in den vergangenen beiden Tagen. War es das Adrenalin, das durch seine Adern strömte? Es könnte der eigene Hei-lungsprozess des Körpers sein, der so untertänig arbeitete, loyal bis zum Letzten. Man konnte ihn schlagen, ihn vergiften, ihn wieder schlagen und wieder vergiften. Der Körper rückte aus zur eigenen Verteidigung, mobilisierte, reparierte. Wide wusste nicht, ob er den Einsatz wert war.
Er würde seinen Alkoholkonsum verringern. Vielleicht ein so genannter trockener Alkoholiker werden, wenn er überhaupt Alkoholiker war.
»Ich hab einige anstrengende Tage hinter mir.«
»Besonders zum Ende hin.«
»Du weißt, dass ich keinen Streit suche.«
»Nein. Der sucht immer dich. Was hast du bloß an dir, dass du ihn so anziehst?«
»Mein unschuldsvolles Aussehen. Typen wie ich geraten immer in unangenehme Situationen.«
Ard schwieg. Nach einer Weile hustete er verhalten und kratzte sich mitten auf der Brust. Juckte es ihn dort vom Husten?
»Es ist Preben Kragersen. Nicht gerade ein Gemütsmensch.«
»Ein Bekannter?«
»Tja, wir haben ihn mal wegen Körperverletzung vernommen.«
»Körperverletzung? Er?«
»Ich verstehe, dass du es nicht glauben kannst.«
»Er wirkt nicht so, als würde er mit so was fertig werden.«
»Für Kragersen ist es immer gut ausgegangen. Zeugen und Anklagen haben sich stets rechtzeitig in Luft aufgelöst.«
»Ich frage mich, was er hier macht.« Wide massierte sich vorsichtig den Hinterkopf.
»Er bezahlt die Krankenpflege, nachdem er unglücklich gestürzt und gegen eine Theke geknallt ist.«
»Ich weiß schon.«
»Wie soll ich wissen, was er ausgerechnet jetzt hier macht? Vermutlich den Leuten eins aufs Maul geben, etwas oder jemanden schützen, kaufen oder verkaufen.«
»Rauschgift? Eine Rauschgiftgeschichte?«
»Soweit wir informiert sind, nicht. Aber genau darum geht es . Ich hab heute versucht, dich zu erreichen . nein, gestern.«
»Ich war ziemlich beschäftigt.«
»Das hab ich gemerkt. Was für ein Glück, dass du unserem dänischen Freund bei der Atmung geholfen hast und ihm auch sonst behilflich warst, bis unsere Jungs ankamen. Was hattest du übrigens in einem der eher anspruchsvolleren Aufreißerlokale der Stadt zu suchen?«
»Ich hab niemanden aufgerissen.«
»Du sitzt also zu Hause und schreibst das Tagebuch eines
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