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Allem, was gestorben war

Allem, was gestorben war

Titel: Allem, was gestorben war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Lange betrachtete er ein Stück Brie im Kühlschrank sollte er? Jetzt mach ich die Tür zu, dachte er.
    Solche Mahlzeiten sollte er nicht zu sich nehmen, tagsüber nicht und nachts schon gar nicht. Er dachte darüber nach und goss rasch etwas Jever in ein hohes, schmales Glas. Er mochte die kräftige Schaumbildung, wartete ein Weilchen und goss nach. Als die Flasche leer war, stellte er sie in einen Träger im Schrank unter der Spüle.
    Ard nahm Teller, Messer und Gabel in die linke Hand, das Bierglas in die rechte, und ging in die Bibliothek. Er setzte sich in einen der Ledersessel und stellte Teller und Glas auf den Tisch daneben. Bevor er zu essen anfing, warf er einen Blick aus den großen Fenstern. Die Nacht hatte sich davongeschlichen, das nordische Licht des frühen Morgens kam über die Stadt. Es war wie eine Erinnerung daran, dass dies unveränderlich ein anderer Teil der Welt war, die Wärme mochte aus dem Süden gekommen sein, neue Gewohnheiten, Düfte, die Trockenheit, aber das Licht . niemand entging dem Licht im nördlichen Sommer.
    Er aß die Butterbrote, trank in kleinen Schlucken vom Bier; er wusste, dass das Vorgefallene ihn in der nächsten Stunde daran hindern würde einzuschlafen. Würde es drei Stunden dauern? Das war vermutlich das Alter, er hatte in den letzten Jahren einiges ausprobiert, um einmal eine ganze Nacht durchzuschlafen, aber es gelang ihm einfach nicht. Ging er früh zu Bett, hatte das frühes Erwachen zur Folge. Ging er spät ins Bett, hatte er einen unruhigen Schlaf. Alkohol verursachte böse Träume und ein verschwitztes, angsterfülltes Erwachen aus etwas, was keine Erholung gebracht hatte. Fasten am Abend setzte die Fantasie in Bewegung. Wenn er einzuschlafen versuchte, schien sein überhitztes Gehirn auf Hochtouren zu laufen. Häufig hatte es so geendet, dass er wieder aufstehen und doch etwas essen musste.
    Jetzt war es ihm egal.
    Ard stand auf und ging zur Musikanlage. Er bückte sich und suchte in der CD-Sammlung. Er hatte es wie eine schöne Bereicherung empfunden, als er begriffen hatte, was die CD bedeutete. Jetzt konnte man Musik mit Künstlern kaufen, die in Vinylform schon längst verschwunden waren. Ard hatte LPs, die er gut pflegte, die aber trotzdem nicht mehr klangen. Jetzt hatte er die Möglichkeit, sich wieder anzuschaffen, was verschwunden war.
    Er liebte Soul. Soul der sechziger, der siebziger Jahre. Dort war er stehen geblieben, es war schwer, sich zu lösen. Besonders von den späten Sechzigern, als das Jahrzehnt wechselte.
    Ard legte eine Scheibe ein und setzte sich die Kopfhörer auf. Overton Vertis Wright. Einer der Großen und einer der Vergessenen. Es war unbegreiflich, aber Sten Ard hatte das Gefühl, O. V. Wright gehöre ihm allein, und das war ein gutes Gefühl. Er blieb bei dem Musikregal stehen, schloss die Augen und lauschte zum wohl tausendsten Mal Don't Let My Baby Ride, als ob es das erste Mal wäre. Als das prickelnde Gitarrensolo kam, spielten Ards Hände auf der eingebildeten Gitarre, er war überzeugt, dass es eine Gibson Super 400 war, er wiegte seinen Körper und öffnete die Augen erst, als das Solo vorbei war, er zu einem Barreakkord zurückgekehrt war und ein kratzendes Geräusch gehört hatte.
    Seine neunzehnjährige Tochter war nach Hause gekommen. Sie stand mitten im Zimmer und sah ihn mit klarem Blick an.
    »Spielst du unplugged, Papa?« Sie hielt die Zeitung in den Händen. Ard nahm sich die Hörer ab und schaltete den CD-Spieler aus. Er ging auf seine Tochter zu und umarmte sie. Sie roch nicht nach Alkohol. »Es ist spät. Oder früh. Zu früh.«
    »Spielst du die Musik deswegen so leise?«
    »Wenn du die Gitarre nimmst und da hinten in die Ecke stellst, nehm ich die Zeitung.«
    »Okay. Ich bin sowieso müde.« Mit einer übertriebenen Bewegung hob sie die eingebildete Gitarre an und trug sie ans andere Ende des Zimmers.
    »Soll ich sie hier zu den anderen Luftgitarren stellen?«
    »Ja, neben die Fender. Nein, nicht die, die Telecaster.«
    »Gute Nacht, Papa. Du solltest jetzt auch schlafen gehen.« Sie sah auf den leeren Teller. »Falls du kannst.«
    »Gute Nacht, Magda.«
    Ard schlug die Zeitung auf und roch die frische Druckerschwärze. War ein Morgen ohne Zeitung vorstellbar? Er wusste nicht, was sie ersetzen könnte, befürchtete aber, dass es irgendwann kommen würde. Wie lange reichte das Papier? In Japan hatten sie offenbar angefangen, Zeitungen aus Plastik herzustellen.
    Kokain im Wert von 75 Millionen Kronen

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