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Allem, was gestorben war

Allem, was gestorben war

Titel: Allem, was gestorben war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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schwiegen zehn Sekunden. Ard hörte das schwache Surren der Klimaanlage - oder war es der Computer auf dem Tisch? Es klang, als ob die Festplatte lauter dächte als er selber. Manchmal fragte er sich, ob sie nicht auch besser denken konnte.
    »Wie ist es passiert?«
    Vor der Frage hatte Sten Ard sich gefürchtet. Dann erzählte er es.
    Auf Kajsa Lagergren wartete ein Brief, als sie nach Hause kam. Sie legte ihn auf den Küchentisch und dachte an ihn, während sie duschte.
    Briefe waren etwas Ungewöhnliches in diesen Zeiten. Sie hüllte sich in einen großen, weichen Frotteemantel und ging in die Küche. Es roch ungelüftet. Sie öffnete das Fenster, roch aber nichts anderes als die Abgase von der Smälandsgatan. Die Nähe zur Arbeit war ein Vorteil. Der Verkehr war ein Nachteil, wenn man im Zentrum wohnte.
    Kajsa Lagergren war stolz auf sich, als sie den Tiefkühlschrank öffnete und die zehn kleinen Lasagneformen, die für die Mikrowelle geeignet waren, in ordentlichen Stapeln sah. Die Form war perfekt und die Portion gerade richtig für sie.
    Sie schob eine in die Mikrowelle, stellte auf »Auftauen« und schloss die Klappe. Sie würde gerade Zeit haben, sich ein Glas Rotwein einzuschenken, die Zehen zu spreizen, die Füße auf einem Küchenstuhl. Freitagabend, ganz allein auf der Welt. Sie konnte damit leben. Als sie gesehen hatte, was mit Kerstin Johansson passiert war, hatte sie die Kraft gehasst, die der Allmächtige den Männern verliehen hatte. Sollte das kompensieren, was ihnen im Kopf fehlte?
    Die Uhr der Mikrowelle gab ein Zeichen, sie stellte auf »Aufwärmen«, zwei Minuten, und öffnete den Brief.
    Nach drei Wochen Schweigen hatte er also einen Brief geschrieben. Es tat ihm Leid, dass alles so gekommen war.
    Kajsa Lagergren tat es nicht Leid.
    Er hatte viel über sie und ihre Beziehung nachgedacht, und er glaubte, sie hätten einen Fehler gemacht. Diesen Brief hatte er geschrieben zum Zeichen, dass er noch einmal von vorn anfangen wollte, auf eine persönlichere Art. Einen Brief zu schreiben, das war persönlich.
    Sie hörte die Uhr, holte die Lasagne und schnitt eine Tomate in dicke und eine halbe Zwiebel in dünne Scheiben. Sie trank ein wenig Wein und begann zu essen.
    Persönlich. Der Stift, den er beim Briefschreiben in der Hand gehalten hatte, enthielt mehr Persönlichkeit. Sie hatte einen Fehler gemacht, als sie das Leben mit einem Mann angefangen hatte, der gut allein leben konnte. Ein hübsches Gesicht war nicht alles. Musikwissenschaftler, das klang aufregend, aber das Zusammensein mit ihm war fast auf der Stelle unerträglich geworden.
    »Ein gutes Beispiel für den amerikanischen weißen Authentizitätsrock«, hatte er lächelnd gesagt, als sie zum ersten Mal John Meilencamp auflegte.
    »Hör dir die heisere Stimme an. Ein absolutes Kennzeichen«, hatte er mitten in Love and Happiness gesagt. Seitdem konnte sie weder John Mellencamp noch anderen amerikanischen weißen Authentizitätsrock hören. Es musste noch etwas Zeit vergehen.
    Sie las den kurzen Brief zu Ende und ließ ihn auf dem Tisch liegen. Der Brief würde später mit der Lasagneform entsorgt werden. Sie goss sich noch ein halbes Glas Wein ein. Es war ja Freitag. In einer halben Stunde würde sie Kerstin Johansson anrufen. Sie brachten gern das Telefon zu ihr hinein.

26
    Ihre Stimme auf dem Anrufbeantworter war ein Schock. Wide war in die Wohnung gekommen und hatte in der Küche ein Glas Wasser getrunken, hatte sich die Schuhe von den Füßen geschleudert und überlegt, ob er sich ein Fahrrad kaufen sollte.
    »Hallo, Jonathan. Ich bin's, Lea Laurelius ... Die Schlägerei in der Bar hat mich erschreckt und ich bin einfach abgehauen. Hinter der Domkirche gibt es ein kleines Cafe, bei Buttericks. Da sitze ich Freitagabend, von sechs bis sieben. Tschüs.«
    Heute war ja Freitag. Wie spät war es?
    Er schlüpfte wieder in die Schuhe und ging rasch die Treppe hinunter. Im Auto durch die Allen nahm er die Düfte des Sommers wahr. Eine kleine weiß gekleidete Gesellschaft wanderte langsam den Fahrradweg entlang, wie die Reste einer Karawane, die den Weg zur Oase gefunden hatte. Als er die Autotür aufschloss, hatte er die Hitze auf dem Autodach gespürt. Sonne Schicht auf Schicht.
    Eine Straßenbahn fuhr vorbei, aus dem Straßenbahnfenster schaute ein Mann mit Stirnband auf ihn hinunter. Wide sah den Griff eines Tennisschlägers über den Fensterrand ragen. Tennis war ein Spiel für den Abend geworden, weiche, dumpfe Schläge in der

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