Allem, was gestorben war
sinkenden Dämmerung.
Die Schweden sind ein Volk, das an Kontraste gewöhnt ist, dachte er und parkte in der Nähe vom »Downtown«. Kalt und warm, nass und trocken. Meistens kalt und nass, vor allem in Göteborg, aber dieser Sommer stellte alles auf den Kopf, von 1959 bis heute.
Auf den Bänken vorm »Downtown« saßen Menschen und genossen den Abend, auf den sie seit Stunden gewartet hatten. Wer sich erhob, bewegte sich langsam.
Einige hundert Meter weiter stand ein Indio und blies seine Töne vorm »Indiska«. Hier war er vor ein paar Tagen unterwegs gewesen zu einem Abenteuer und die Musik war wie eine lange Schleppe aus Tönen hinter ihm hergeglitten. Die Musik war das Leben, in den letzten Tagen hatte er zu selten zugehört, und das hatte ihn nervös gemacht. Musik dämpfte die Depression, von der Wide sich immer schwerer befreien konnte, die Depression, die wie ein Kleidungsstück war, das er zwar nicht wollte, aber nicht ablegen konnte.
Wide überquerte den Platz vor der Kirche, die Kyrkoga-tan und öffnete die Tür zum Cafe. Sie saß rechts, teilweise verborgen hinter einem Kroton mit kräftigen Blättern. Die Wände hier drinnen waren braun und glänzend, eine angedeutete Stuckatur, die nicht noch eine weitere Saison überleben würde. Ein Verkaufstresen aus Glas und imitiertem Teak, Kekse und einige Holländer-Schnitten, die anfingen, in sich zusammenzufallen. Der Fußboden war rot und weiß gewürfelt, abgenutzt von Tausenden von Schuhen, die aus allen Wetterlagen hereingekommen waren. Er sah den Sand der Saison, der wie ein schmaler Pfad von der Tür zum Tresen führte, von Sandalen, die an Stränden entlanggewandert waren.
Lea Laurelius hob vorsichtig eine Hand zum Gruß. Sie trug eine Bluse, die hellblau changierte, und er sah eine braune lange Hose, die wie eine Reithose geschnitten war, mit scharfen Bügelfalten.
Er hob einen Finger und ging auf ihren Tisch zu.
Die dunklen Haare hatte sie in einer weichen Welle zurückgestrichen. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen.
»Du hast dich einer Mordermittlung entzogen. Das sieht nicht gut aus für dich.«
Eine brutale Einleitung für ein Gespräch. Dann wurde ihm bewusst, dass sie vorher noch nie von Mord gesprochen hatten.
»Ich weiß ... ich hab es in der Zeitung ...«
Eine Frau mittleren Alters in der klassischen schwarzweißen Kellnerinnentracht stand plötzlich an ihrem Tisch. Augen, die schon zu lange wach waren und ihre Farbe verloren hatten, oder war es nur die Dämmerung draußen? Sie hatte die Haare zu einem strengen Knoten im Nacken hochgesteckt. Eine Strähne hatte sich gelöst und lag wie ein Pinsel über dem Halsausschnitt.
Wide bestellte eine Flasche Mineralwasser. Er sah Lea Laurelius an, die den Kopf schüttelte. Als die Kellnerin gegangen war, lehnte er sich leicht über den Tisch.
»Bist du bei der Polizei gewesen?«
Sie hatte die weißgrüne Tasse angehoben, und ihre Hand fing an zu zittern. Sie stellte die Tasse wieder ab und faltete die Hände.
»Ich bin auf dem Lande gewesen, dort mieten wir manchmal eine Hütte. Ich brauchte die Zeit da draußen.«
»Wann hast du von dem Mord erfahren?«
»Ich weiß es nicht genau, vor einigen Tagen.«
»Das klingt nicht sehr glaubwürdig.«
»Wieso?«
»Vor einigen Tagen hast du erfahren, dass dein Mann ermordet wurde, und du zögerst immer noch, dich bei der Polizei zu melden.«
Das Letzte sagte er schnell, die Kellnerin kam mit einer Flasche Vichy Nouveau und einem runden Seltersglas, das Wide in die Hand nahm, während die Kellnerin servierte. »Bitte sehr«, sagte sie und kehrte zum Tresen zurück.
»Du weißt nicht, unter was für einem Druck ich in der letzten Zeit gelebt habe. Ich dachte, ich würde durchdrehen.«
Wide sah drei Personen hereinkommen und sich an einen fünf Meter entfernten Tisch setzen. Die beiden Männer trugen kurze Hosen, die rot und grün auf schwarzem Grund bedruckt waren, wie Zwillinge, ferner T-Shirts und Sandalen ohne Strümpfe, kurze Haare und Übergewicht. Die Frau hatte einen kurzen Rock und ein langärmeliges T-Shirt an.
Wide beugte sich vor.
»Ich hab darüber nachgedacht, wann wir . über uns reden sollten.«
Sie sah ihn lange an.
»Irgendwo hat es dich immer gegeben«, sagte sie. »Dabei war es so eine kurze Zeit.« »Die Erinnerung macht, was sie will.« Er näherte sich ihrem Gesicht.
»Warum hast du nicht gleich zu Anfang etwas gesagt? Als du angerufen hast - oder später, im Haus?«
»Das war in dem Augenblick nicht das
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