Allen, Louise - Ballsaison in London (H218)
tun haben will“, erklärte Zenobia schnippisch.
„Das weiß ich doch“, entschuldigte sich Talitha hastig. „Denkst du wirklich, dass er gut aussieht?“
Jetzt war es an ihrer Freundin, erstaunt dreinzublicken. „Mit deinen Augen scheint etwas nicht in Ordnung zu sein, Talitha. Aber lassen wir das Thema Lord Arndale – was ist denn nun geschehen, wenn es nichts mit ihm zu tun hat?“
„Die liebe Miss Gower ist doch letzte Woche gestorben. Sie hat mir etwas hinterlassen“, begann Talitha vorsichtig.
„Oh, wie aufmerksam von ihr. Was ist es denn? Ein Schmuckstück, ein paar Pfund?“
„Das habe ich zuerst auch vermutet, aber Zenna, es sind – fünfzigtausend Pfund!“
„Fünfzigtaus… bist du sicher? Nicht fünfzig oder einhundert?“
„Ich habe es anfangs auch nicht geglaubt, doch es stimmt. Sie hat mir ihr gesamtes Vermögen hinterlassen, bis auf ein paar Andenken für Freunde und Bedienstete.“
„Wie wundervoll!“ Zenobia nahm ihre Freundin fest in den Arm, dann lehnte sie sich zurück, das Gesicht vor Freude über das Glück ihrer Freundin gerötet. „Was wirst du jetzt tun?“
„Ich weiß es nicht genau, ich bin noch vollkommen verwirrt.“ Plötzlich kam ihr eine Idee, und ohne sich vorher über die Einzelheiten klar zu werden, erklärte Talitha: „Ich werde selbstredend ein paar sinnvolle Investitionen tätigen müssen. Zenna, du hast doch immer davon geträumt, eine eigene Schule aufzumachen, nicht? Warum gehen wir nicht eine Partnerschaft ein und tun genau das?“
„Ich habe kein Geld“, protestierte Zenobia, doch Talitha sah einen Funken Begeisterung in ihren Augen aufblitzen.
„Ja, aber du besitzt die nötigen Fähigkeiten und weißt, wie man eine Schule zu führen hat. Ich stelle das Geld für das Haus und so weiter zur Verfügung, du leitest die Schule. Ich hoffe“, fuhr sie fort, bevor Zenna den Mund aufmachen und ihr widersprechen konnte, „dass wir etwas finden, das groß genug ist, damit ich auch dort wohnen kann – wenn du nichts dagegen hast.“
„Etwas dagegen haben? Etwas dagegen haben! Talitha, ist das dein Ernst? Wie wunderbar, es gibt so vieles, was ich ausprobieren möchte, so viele Ideen, was die Bildung von Mädchen angeht …“ Sie verstummte. „Du hast dir noch keinerlei Gedanken darüber gemacht, oder? Das musst du aber und dir Ratschläge geben lassen. Warum, um Himmels willen, würdest du überhaupt in einer Mädchenschule leben wollen? Mit diesem Vermögen kannst du dir einen Platz in der Gesellschaft sichern.“
„Ich bin zu alt, Zenna, und ich habe keinerlei Beziehungen.“
„Unsinn!“ Zenobia sprang auf und lief im Zimmer hin und her. „Lady Parry würde dich bestimmt unter ihre Fittiche nehmen.“
„Das hat sie bereits vorgeschlagen“, gab Talitha zu. „Sie hat mir angeboten, bei ihr zu wohnen, und sie will mich bei meinem Debüt in der Gesellschaft an die Hand nehmen.“
„Warst du nicht einverstanden? Das ist eine wunderbare Gelegenheit, besser könntest du es wirklich nicht treffen.“
„Doch, ich war einverstanden, aber jetzt denke ich, ich muss ihr sagen, dass ich meine Meinung geändert habe“, erwiderte Talitha langsam. Ihr Gewissen zwickte sie heftig. Ihr war klar, dass sie es ihrer freundlichen Gönnerin schuldete, sicherzustellen, dass sie nicht den Hauch eines Skandals in ihren Haushalt einlud – Lord Arndale hin oder her.
Sie fing Zenobias amüsierten Blick auf und sprudelte hervor. „Ich muss ihr von meiner Arbeit bei Mr Harland erzählen. Den Skandal, wenn alles herauskommt, will ich nicht riskieren. Es wäre eine schreckliche Art, ihr für ihre Freundlichkeit zu danken.“ Außerdem breitete sich eine weitere Angst bedrohlich in ihr aus, seit sie gesehen hatte, wie ablehnend Lord Arndale ihre Freundin betrachtet hatte.
Wenn eine respektable Gouvernante schon als unwürdige Bekanntschaft für die neuerdings reiche Miss Grey angesehen wurde, was würde Lady Parry wohl erst von einer Opernsängerin und der Besitzerin eines Logierhauses halten?
„Ich muss heute Nachmittag noch mit ihr sprechen“, verkündete Talitha entschlossen. „Ich werde mich bei ihr für ihr großzügiges Angebot bedanken, doch sie wird selbst einsehen, dass ich nicht die Richtige dafür bin. Besser, ich tue es jetzt, bevor sie die Möglichkeit hat, weitere Pläne zu schmieden, was meine Zukunft betrifft.“
Traurig schüttelte Zenobia den Kopf. „Du musst tun, was du
Weitere Kostenlose Bücher