Allen, Louise - Ballsaison in London (H218)
sein.“
„Fluchen?“ Nicks Augen verengten sich gefährlich. „Natürlich, ich entschuldige mich. Als Nächstes werde ich dich, wenn du nicht mit dieser lächerlichen Behauptung aufhörst, gestern Nacht sei nichts von Belang passiert, übers Knie legen und …“
„Mir Gewalt antun?“, fragte Tallie süß. Ihr Verstand und ihr Bewusstsein schienen auf zwei Ebenen zu existieren. Obenauf gab es ein gefährliches Vergnügen, mit Nick die Klingen zu kreuzen, ihn zu provozieren, zu sehen, wie sie sein Temperament Funken schlagen lassen konnte. Darunter schrumpfte etwas ein, starb. Der Mann, den sie liebte, erklärte ihr, dass seine Taten sie ungeeignet für die Ehe mit jemand anderem gemacht hatten. Es konnte sich nur noch um Augenblicke handeln, bis er ihr erklärte, dass er sie – wie es jeder Gentleman getan hätte – daher selbst zur Frau nehmen würde.
Wütend funkelte Nick sie an. „Nein, ich würde dir natürlich niemals wehtun. Es ist nur, du bist so dermaßen …“
„Lästig? Das muss ich auch sein, damit du deine ach so geschätzte Selbstbeherrschung aufgibst, deine Contenance .“
Er schwieg. Mit schmalen Augen betrachtete er sie. „Denkst du, das ist es, was ich schätze? Reserviertheit? Haltung?“
„Ist es das nicht? Ich habe es in deiner Stimme gehört, bevor ich dich überhaupt gesehen habe. Ruhig, zurückhaltend, distanziert, nur am Rande amüsiert ob der Kapriolen und Gefühlsduseleien von uns anderen. Du musst über alles Bescheid wissen, immer die Fäden in der Hand halten. Keine Überraschungen für Lord Arndale, keine zwielichtigen Gefühle, keine Zurschaustellung aufbrausenden Temperaments.“ Jetzt war auch das Fechten nicht mehr amüsant. Sie wollte ihn nur noch hinhalten, ihn vielleicht ein wenig verletzen, nur ein kleines bisschen, um ihren eigenen Schmerzen etwas entgegenzusetzen.
Sie schien Erfolg zu haben. Die grauen Augen sahen aus wie schwarze Feuersteine, der sinnliche, bewegliche Mund bekam einen harten Zug. Tallie machte sich auf eine spitze Antwort gefasst. Was sie bekam, waren seine Hände auf ihren Schultern, mit denen er sie heftig in eine erdrückende, leidenschaftliche Umarmung zog. Sie wand sich, trat mit einem ihrer flachen Slipper auf einen ledernen Schuh und hob eine Hand. Sie wollte ausholen – und musste feststellen, dass beide Hände fein säuberlich zwischen ihrer beider Körper eingeklemmt wurden. Sie zog den Kopf ein, um der wütenden Entschlossenheit in seinen Augen zu entgehen, bis sie merkte, dass er ihr Kinn mit seiner freien Hand umfasste und nach oben zwang.
„Also das , Miss Grey, ist eine Zurschaustellung von zwielichtigen Gefühlen und aufbrausendem Temperament“, knurrte er, bevor er ihren Mund mit dem seinen verschloss.
Wütend versuchte Tallie, sich zu befreien. Sie biss die Zähne zusammen, um der Wucht seines Zorns begegnen sowie ihrem eigenen verzweifelten Verlangen, sich ihm zu öffnen, ihn tun zu lassen, was immer er wollte, etwas entgegenzusetzen. Sie schloss die Augen, spürte, wie die Hitze sie durchschoss, wie ihre Beine nachgaben, und plötzlich kämpfte sie nicht mehr.
Sie wusste nicht, ob er ihre Kapitulation gespürt oder lediglich entschieden hatte, die Demonstration seines Könnens als erfolgreich zu beenden. Er ließ Tallie so schnell los, wie er sie gepackt hatte. Sie sank auf einen Stuhl, der wie durch ein Wunder hinter ihr stand. Wütend auf sich selbst, auf ihre Schwäche und auf ihn, dafür, dass er diese ausgenutzt hatte, wischte sie sich die Zornestränen aus den Augen und funkelte ihn an.
Ein grimmiger Blick begegnete ihr. „Nun, Miss Grey, können wir jetzt, wo wir uns beide nach allen Regeln der Kunst beleidigt und gekränkt haben, bitte zu dem Thema zurückkehren, das zu diskutieren wir hierhergekommen sind?“
„Wozu Sie , Mylord, hergekommen sind. Wie ich glaubte deutlich gemacht zu haben, gibt es absolut nichts, worüber ich mit Ihnen sprechen will, außer, dass ich meinen Dank für Ihre Handlungen gestern wiederhole. Und diese waren, wenn sich in der Zwischenzeit nichts geändert hat, die Handlungen eines Gentlemans. Nein, das ist unfair.“ Sie hob eine Hand, um ihn vom Reden abzuhalten, und fuhr in einer Art eisiger Höflichkeit fort, die ihn, wie sie sehen konnte, nur zu noch größerer Wut anstachelte. „Ich muss mich außerdem für die Art und Weise bedanken, in der Sie mir dabei geholfen haben, Lady Parry eine Geschichte zu erzählen, die äußerst
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