Aller guten Dinge sind vier
Purzelbaum. Stephanie, Stephanie, Stephanie, du solltest nicht mal denken, was du denkst. Stell dir vor, du wirst drinnen erwischt! Okay, das wäre ziemlich peinlich, das mußte ich zugeben. Ich brauchte jemanden, der für mich Schmiere stand. Ich brauchte Lula. Das Büro war ungefähr zehn Minuten entfernt.
Ich holte mein Handy raus und wählte.
»Ja, klar«, sagte Lula. »Im Schmierestehn bin ich gut. Ich komm sofort.«
»Ich werd versuchen, da reinzukommen«, erklärte ich ihr. »Mein Handy nehm ich mit. Bleib du drüben auf der anderen Straßenseite sitzen und ruf mich sofort an, wenn Betty oder Leo nach Hause kommen. Dann geh ich einfach zur Hintertür raus.«
»Du kannst dich auf mich verlassen«, versicherte Lula.
Ich fuhr bis zur nächsten Ecke, bog ab und parkte. Dann ging ich zu Fuß zum Haus zurück und stieg die paar Stufen zur Veranda rauf. Sicherheitshalber klopfte ich erst mal bei den Glicks. Alles blieb still. Ich schaute durchs Fenster. Drinnen rührte sich nichts. Drüben bei Kuntz machte ich es genauso. Dann versuchte ich, die Tür zu öffnen. Sie war abgesperrt. Ich lief nach hinten. Auch da kein Glück. Ich hätte Ranger anrufen sollen statt Lula. Vor Ranger war kein Schloß sicher. Ich hatte mal eine Garnitur Nachschlüssel, aber ich konnte nicht mit ihnen umgehen, drum hab ich sie weggeworfen.
Ich musterte das Fenster neben der Hintertür. Es war einen Spalt offen. Kuntz hatte keine Klimaanlage. Auf dem Küchenboden konnte man wahrscheinlich Brot backen. Ich schlich mich zum Fenster und schob es an. Es klemmte. Ich schaute mich um. Rundherum war alles still. Keine Hunde bellten. Keine Nachbarn waren beim Blumengießen. Nirgends spielten Kinder. Es war viel zu heiß. Alle waren drinnen, ließen die Klimaanlage auf vollen Touren laufen und sahen fern. Glück für mich.
Vorsichtig schleppte ich eine Mülltonne zum Fenster und kletterte rauf. Ich kniete mich hin, verpaßte dem Fenster von unten einen kräftigen Stoß, und schon sauste es nach oben. Niemand schrie: »Hey, Sie! Was machen Sie da?« Das war sehr beruhigend. Ich meine, es war ja auch kein Einbruch in dem Sinne, schließlich hatte ich nichts zerbrochen.
Ich schob das Fenster wieder runter und rannte durchs Haus nach vorn, um mich zu vergewissern, daß die Glicks nicht inzwischen nach Hause gekommen waren. Als ich den Lincoln nicht sah, fühlte ich mich etwas sicherer. Mein Herz fand beinahe seinen normalen Rhythmus wieder. Zuerst nahm ich mir das obere Stockwerk vor, ging methodisch von Zimmer zu Zimmer. Als ich unten angekommen war, schaute ich zum Fenster raus und sah den roten Firebird zwei Häuser weiter am Bordstein stehen. Die Küche durchsuchte ich zuletzt. Milch im Kühlschrank. Und oben im Schlafzimmer hatten schmutzige Kleider auf dem Boden gelegen. Es sah nicht so aus, als hätte er eine längere Reise vorgehabt.
In der Kramschublade neben dem Spülbecken fand ich zwei Schlüsselringe. An dem einen hingen mehrere Schlüssel. An dem anderen nur einer. Meine Mutter wohnte auch in einem Doppelhaus, und in ihrer Kramschublade lagen auch zwei Schlüsselringe. An dem einen hingen die Ersatzschlüssel für Haus und Auto. An dem anderen der Schlüssel für nebenan.
16
Ich sah auf meine Uhr. Ich war seit einer halben Stunde im Haus. Ich sollte mein Glück wahrscheinlich nicht überstrapazieren, aber ich wollte unbedingt noch eine schnelle Runde durch das Glicksche Haus drehen. Wär doch eine Riesenhilfe, wenn ich auf dem Küchentisch eine Lösegeldforderung finden würde. Der Schlüssel in der Schublade rief mir zu: Probier’s! Probier’s! Okay, was konnte schlimmstenfalls passieren? Die Glicks würden mich erwischen, und das würde sicher nicht lustig werden. Aber es würde nicht passieren, weil Lula ja Schmiere stand.
Ich steckte den Schlüssel ein, zog das Fenster wieder so weit runter, daß nur noch ein offener Spalt blieb, schlüpfte zur Tür raus und schob den Schlüssel bei den Glicks ins Schloß. Bingo! Die Tür sprang auf.
Das erste, was mir auffiel, war der Schwall kühler Luft, der mir entgegenschlug. In Betty Glicks Küche war es eiskalt. Es war, als marschierte man direkt in einen Kühlschrank. Der Linoleumboden war fleckenlos sauber. Die Küchengeräte waren nagelneu. Rustikal war die Parole. An den Wänden hingen holzgeschnitzte Herzen in Rot und Blau mit sinnigen kleinen Sprüchen. Unter dem hinteren Fenster stand ein Kiefernholztisch mit gedrechselten Beinen. Der Toaster trug eine Folklorehaube.
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