Aller guten Dinge sind vier
schwarz gekleidet. Sie war als junges Mädchen nach Amerika gekommen, aber damals war die Burg italienischer als Sizilien, und sie hatte die Bräuche der alten Heimat beibehalten. Mary Elizabeth ist Bellas jüngere Schwester, eine Nonne im Ruhestand. Sie hatten beide Cocktailgläser in den Händen und Zigaretten zwischen den Lippen.
»Aha«, sagte Nonna Bella, »die Kopfgeldjägerin.«
Ich hockte mich mit zusammengedrückten Knien auf die Kante eines Ohrensessels. »Nett, Sie zu sehen, Nonna Bella.«
»Ich höre, Sie leben mit meinem Enkel zusammen.«
»Ich – ich hab ein Zimmer in seinem Haus gemietet.«
»Ha!« rief sie. »Hören Sie auf zu schwindeln, sonst kriegen Sie von mir den bösen Blick.«
Ich war verloren. Noch während ich da auf der Sesselkante hockte, spürte ich das Nahen meiner Periode.
10
»Den bösen Blick gibt’s überhaupt nicht«, sagte Joe. »Versuch doch nicht, Stephanie Angst zu machen.«
»Du glaubst an gar nichts«, sagte Bella. »Und in der Kirche sehe ich dich nie.« Sie drohte ihm mit dem Finger. »Ein Glück, daß ich für dich bete.«
»Das Essen ist fertig«, sagte Mrs. Morelli. »Joseph, hilf deiner Nonna Bella ins Eßzimmer.«
Ich war das erstemal in Mrs. Morellis Haus. Ich war in der Garage und im Garten gewesen. Und natürlich war ich unzählige Male an dem Haus vorübergegangen, immer ängstlich flüsternd, immer im Laufschritt, weil ich fürchtete, gleich würde Mrs. Morelli rauskommen, mich am Ohr ziehen und mich beschuldigen, schmutzige Unterwäsche zu tragen oder meine Zähne nicht geputzt zu haben. Von ihrem Mann war bekannt gewesen, daß er seine Söhne mit dem Gürtel züchtigte. Mrs. Morelli hatte so was nicht nötig. Mrs. Morelli konnte einen mit einem einzigen Wort bändigen. »Also«, pflegte sie zu sagen, und das unglückliche Opfer gestand sofort alles. Nur für Joe galt das nicht. Joe war in ungezügelter Freiheit aufgewachsen.
Das Haus war gemütlicher, als ich erwartet hatte. Es wirkte lebendig, ein Haus, das an den Lärm und das Durcheinander von Kindern gewöhnt war. Zuerst Joe und seine Geschwister und jetzt die Enkelkinder. Die Polstermöbel hatten Schonbezüge und waren blitzsauber. Der Teppich frisch gesaugt. Die Tischplatten poliert. Unter einem der vorderen Fenster stand eine kleine Spielzeugkiste, und neben ihr ein Kinderschaukelstuhl.
Das Eßzimmer war etwas steifer. Auf dem Tisch lag eine Spitzendecke. In einer kleinen Vitrine stand altes Porzellan. Auf dem Kopfende des Tisches warteten zwei Flaschen Wein, schon geöffnet, damit der Wein atmen konnte. Die Fenster hatten weiße Spitzenvorhänge, und unter dem Tisch lag ein burgunderroter Perserteppich.
Wir nahmen unsere Plätze ein, und Mary Elizabeth sprach das Tischgebet, während ich die Antipasti beäugte.
Nach dem Gebet hob Nonna Bella ihr Weinglas. »Auf Stephanie und Joseph. Ein langes Leben und viele Bambini.«
Ich sah Joe an. »Möchtest du das richtigstellen?«
Joe nahm sich von den Ravioli und streute geriebenen Käse darüber. »Nur zwei Bambini. Eine große Familie kann ich mir von meinem Polizistengehalt nicht leisten.«
Ich räusperte mich und warf Morelli einen wütenden Blick zu.
»Okay, okay«, sagte Morelli. »
Keine
Bambini. Stephanie ist zu mir gezogen, weil sie ein Dach über dem Kopf braucht, während ihre Wohnung repariert wird. Mehr steckt nicht dahinter.«
»Hältst du mich für blöd?« fragte Nonna Bella. »Ich hab doch Augen im Kopf, ich seh, was los ist. Ich weiß genau, was ihr tut.«
Morelli nahm sich vom Hühnchen. »Stephanie und ich sind nur gute Freunde.«
Mir blieb der Bissen im Hals stecken. Genau diese Worte hatte er gebraucht, um seine Beziehung zu Terry Gilman zu beschreiben. Wunderbar. Was sollte ich jetzt eigentlich glauben? Daß ich in einer Kategorie mit Terry war? Was willst du denn, du hast ihn doch dazu getrieben, du blöde Kuh. Du hast ihn gezwungen, Bella zu sagen, daß es nichts Ernstes ist. Ja, gut, dachte ich, aber ein bißchen mehr Bedeutung als Terry Gilman hätte er mir schon geben können.
Bella warf plötzlich den Kopf in den Nacken und legte ihre Hände platt auf den Tisch. »Ruhe!«
Mary Elizabeth bekreuzigte sich.
Mrs. Morelli und Joe tauschten einen resignierten Blick.
»Was ist?« flüsterte ich.
»Nonna Bella hat eine Vision«, erklärte Joe. »Das geht mit der Gabe des bösen Blicks Hand in Hand.«
Bella hob ruckartig den Kopf und wies mit zwei Fingern auf Joe und mich. »Ich seh eure Hochzeit. Ich seh
Weitere Kostenlose Bücher