Aller Heiligen Fluch
ist eingeschlafen, mit dem Kopf im Pastateller.
Als Kate im Bett ist, gehen Bob und Cathbad in den Garten hinaus, um das Feuerwerk zu zünden. Ruth sieht vom Fenster aus zu. Sie redet sich damit heraus, dass sie hören will, wenn Kate aufwacht, doch sie will vor allem möglichst weit weg sein von diesen furchterregenden Päckchen, die mit Tod und Verstümmelung drohen. Auf einer größeren Rakete ist sogar ein Totenschädel mit gekreuzten Knochen abgebildet. Das sollte doch jedem vernünftigen Menschen genügen, um sich davon fernzuhalten. Außerdem ist es viel zu kalt draußen.
Cathbad und Bob amüsieren sich dagegen königlich. Anscheinend hat Bob seinen Anflug von Düsternis schon wieder überwunden. Ruth muss daran denken, wie vollständig sich seine Miene verändert hat, als er von Flüchen und bösem Zauber sprach. Sie ist lange genug mit Cathbad befreundet, um zu wissen, dass manche Menschen an Flüche glauben, an Verwünschungen und schlechtes Karma, doch sie selbst hat immer noch Probleme mit dem Konzept. Gibt es da draußen wirklich bösartige Kräfte, die nur darauf warten, zuzuschlagen – oder schlimmer noch: dass man sie sich zunutze macht? Und kann Bob, ihr lächelnder Nachbar, tatsächlich den Tod bringen, indem er mit einem Knochen auf jemanden zeigt? Seit Jahren wehrt Ruth sich gegen den Erweckungsglauben ihrer Eltern und ist überzeugte Rationalistin, trotzdem hat ein Mensch, der glaubt, er könnte Unglück über andere Menschen bringen, etwas Verstörendes für sie. Aber glaubt Bob das denn überhaupt? Vielleicht ist das alles ja nur ein einziger großer Scherz.
Sie beobachtet, wie Bob lachend den Stecken für das Feuerrad in den Boden klopft. Er ist mit Sicherheit harmlos, einfach nur ein leidenschaftlicher Mensch, ein Dichter, jemand, der die Vergangenheit ehren und den Toten Respekt erweisen will – so wie Cathbad. Und wie Erik. Eigentlich würde Ruth gern aufhören, ständig an Erik zu denken, vor allem spätabends im Salzmoor, zu einer Zeit, wenn, wie Erik sagen würde, ruhelose Geister auf der Suche nach dem Licht die Welt durchwandern. Sie möchte Erik einfach als brillanten Archäologen und verehrten Lehrer in Erinnerung behalten. Doch auch die dunkleren Erinnerungen kommen hartnäckig zurück. Eine Gewitternacht, Blitze, die den Himmel wie Feuerwerkskörper durchzucken, ein verborgenes Zimmer, ein furchtbares Geheimnis. Mit Mühe schiebt Ruth die Bilder beiseite. Sie will nur an seine guten Seiten denken. Auch bei Bob. Er ist ein guter Nachbar, ein freundlicher, kreativer Mensch, der Didgeridoo spielt und Kinder mag. Und Flint, auf dessen Urteil Ruth große Stücke hält, liegt ihm schließlich zu Füßen. Augenblicklich schläft Flint allerdings auf dem Bett im Gästezimmer. Er verabscheut Feuerwerk.
Cathbad bückt sich, um eine Rakete zu zünden. Nichts. Er geht wieder hin, um einen neuen Versuch zu starten. Ruth reißt die Tür zum Garten auf.
«Einmal entzündete Feuerwerkskörper soll man nicht mehr anfassen!» Das weiß sie aus der Kinderserie
Blue Peter
.
«Schon gut, Ruth.» Cathbad schwenkt sein Feuerzeug. «Feuer gehorcht mir immer.»
Beschrei’s nicht, denkt Ruth. Trotzdem schließt sie die Tür wieder. Es ist windiger geworden, was das Anzünden nicht einfacher macht. Vielleicht geben die zwei ja bald auf. Sie überlegt, ob sie wohl merken würden, wenn sie sich davonschleicht, um die Nachrichten zu sehen.
Da zischt es plötzlich leise, und direkt vor ihr erscheint ein kleiner goldener Baum. Er dreht sich und wirft goldene und silberne Blättchen ab. Bob lacht laut auf, und Cathbad vollführt einen kleinen Freudentanz. Auch Ruth muss wider Willen lächeln. Diese Art von Feuerwerk wirkt nicht weiter gefährlich und ist sogar richtig hübsch. Noch ein paar davon, dann kann sie Teewasser aufsetzen.
Doch es werden noch viele, viele weitere. Wie haben die bloß alle in Bobs kleine Schachtel gepasst? Fontänen, Sterne, kreiselnde Feuerräder, quietschende Raketen – Ruth sieht sie sich alle durch das Fensterchen der Hintertür an. Was ist das bloß für eine Sucht, die Dunkelheit mit Licht und Lärm zu erfüllen? Das gab es schließlich schon viele hundert Jahre vor dem armen alten Guy Fawkes. Wahrscheinlich ein weiterer Versuch, die Schrecken der Nacht und des Winters zu bannen, so wie das Krähen des Hahns im Morgengrauen. Und wie beim Hahn, so ist auch hier ein gewisser Männlichkeitsgestus mit im Spiel. Bob und Cathbad scheinen wild entschlossen, erst wieder ins
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