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Aller Heiligen Fluch

Aller Heiligen Fluch

Titel: Aller Heiligen Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths
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eine Männerstimme sagt: «Die Große Schlange wird ihre Rache fordern.»
    Die Schlange hat sein Gesicht erreicht. Er sieht ihre gelben Augen. Im Hintergrund lacht Randolph noch lauter. Danforth will um Verzeihung bitten, doch er weiß, es ist zu spät.
Die Große Schlange wird ihre Rache fordern.
Er betet, dass es nicht weh tun wird, dass er noch ein letztes Mal seine Pferde auf der Galoppbahn sehen kann.
    Die gelben Augen sind auf einer Höhe mit seinen. Draußen wartet das schwarze Pferd auf ihn.

[zur Inhaltsübersicht]
    13
    Normalerweise macht sich Nelson nicht viel aus Frühstück. Am liebsten bricht er zeitig auf und holt sich auf dem Weg zur Arbeit irgendwo ein Schinken-Sandwich. Manchmal geht er auch mit Clough zu McDonald’s, wo der immer frühstückt. Jedenfalls kommt es so gut wie nie vor, dass er morgens in der Küche sitzt, ein traditionelles englisches Frühstück mit allem Drum und Dran verzehrt und versucht, mit seiner Frau zu plaudern. Aber heute ist der 6 . November, er hat Geburtstag, und Michelle hat erklärt, sie wolle ihm «wenigstens einmal ein ordentliches Frühstück» machen. Das Dumme ist nur: Es ist erst halb acht, und sie haben beide noch keinen richtigen Hunger. Auf Michelles Teller liegt nur eine einzelne Scheibe Toast.
    «Nimm doch was von dem Speck, Schatz.»
    Michelle schüttelt sich. «Auf keinen Fall.»
    «Für mich ist das viel zu viel. Du weißt doch, ich muss abnehmen.»
    Michelle ist die Enttäuschung anzusehen. «Ich dachte, du freust dich über ein richtiges Frühstück. Damals in Blackpool hat dir das immer so gut geschmeckt.»
    Nelson und Michelle stammen beide aus Blackpool. Nach ihrer Heirat haben sie noch eine Zeitlang dort gelebt, und Nelson ist aufgefallen, dass Michelle in den letzten Monaten häufiger darauf zu sprechen kommt. Als wollte sie sich in eine Zeit zurückversetzen, bevor sie nach Norfolk gezogen sind, bevor die Kinder aus dem Haus waren, bevor es Ruth gab.
    «Damals war ich auch noch jung. Und musste noch nicht auf mein Gewicht achten.»
    «Du solltest mit mir ins Studio gehen. Du hast doch gesagt, das machst du.»
    In der ersten Euphorie nach der Versöhnung sind Nelson und Michelle übereingekommen, mehr zusammen zu unternehmen. Nelson würde mit ins Fitnessstudio kommen, Michelle mit ihm zum Fußball, sie würden öfter essen gehen, am Wochenende wegfahren. Seither ist Nelson genau einmal mit im Fitnessstudio gewesen, sie waren in zwei nicht besonders guten Restaurants, und Michelle hat einen Prospekt durchgeblättert, der Wellness-Hotels und Golfurlaube in allen Details schilderte, aber bei den Preisangaben doch eher zurückhaltend war. Nelson hat versucht, Karten für das Spiel Blackpool gegen Norwich zu bekommen, aber als das nicht klappte, hielt sich die Enttäuschung bei beiden in Grenzen. Michelle geht nicht gern zu Blackpool-Spielen: Orange steht ihr einfach nicht.
    «Ich habe keine Zeit», sagt er und leert mit großen Schlucken seinen Tee. «Auf der Arbeit ist gerade die Hölle los. Wir kommen einfach nicht voran mit dieser Drogensache.»
    «Ich dachte, jetzt, wo die Mädchen aus dem Haus sind, hätten wir mehr Zeit füreinander», sagt Michelle. Ihre Töchter studieren inzwischen beide: Laura hat Meeresbiologie in Plymouth belegt, Rebecca Kommunikationswissenschaft in Brighton. Nelson hat großen Respekt vor höherer Bildung – Michelle und er sind beide schon mit sechzehn von der Schule abgegangen –, aber er hätte sich doch gewünscht, dass seine Töchter Fächer studieren, die ihm zumindest etwas sagen. Aber Brighton ist immerhin eine schöne Stadt. Vielleicht sollten sie da mal ein Wochenende hinfahren.
    «Heute Abend gehen wir essen.» Er gibt Michelle einen Kuss auf die Wange. «Ich sehe zu, dass ich etwas früher heimkomme.»
    Sie ringt sich ein unglückliches Lächeln ab. «Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Harry.»
    Deprimiert verlässt Nelson das Haus. Er hat generell keine große Schwäche für seinen Geburtstag, und dreiundvierzig klingt erschreckend alt. Sein Vater ist mit fünfzig gestorben. Verdammt. Nur noch sieben Jahre. Und Michelle hat so traurig gewirkt, ganz anders als die selbstbewusste Frau, die er geheiratet hat. Wie soll er das alles bloß wiedergutmachen, ohne die letzten zwei Jahre komplett auszulöschen? Absurderweise denkt er jetzt viel öfter an Ruth als vorher. Früher konnte er sie vergessen, wenn er mit Michelle zusammen war, aber jetzt ist sie die ganze Zeit da, unsichtbar, aber gegenwärtig.

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