Aller Heiligen Fluch
Haus zu kommen, wenn noch das letzte Fetzchen Zündpapier verbraucht ist. Ruth kennt keine einzige Frau, die sich etwas aus Feuerwerk macht.
Schließlich kommen sie aber doch wieder herein und mit ihnen der Geruch von Schießpulver und Meer.
«Na, wie war das?», fragt Cathbad triumphierend.
«Umwerfend», sagt Ruth. «Wollt ihr eine Tasse Tee?»
«Mir wäre was Stärkeres lieber.»
«Ich müsste noch irgendwo einen Brandy von letztem Weihnachten haben.»
«Perfekt.»
Und so setzen sie sich an den Kamin, trinken Brandy und plaudern über Freudenfeuer, Heidentum und die Räucherzeremonien der Aborigines. Ruth spürt, wie ihr die Augen zufallen, doch sie genießt es, dort zu sitzen und dem An- und Abschwellen des Gesprächs zu lauschen. Wenn sie bloß nicht ständig daran denken müsste, dass Kate jede Minute aufwachen wird. Verstohlen schaut sie auf die Uhr. Halb zwölf. Selbst bei optimistischster Schätzung ist Kate in sechs Stunden wieder wach. Ruth unterdrückt ein Gähnen, spürt, wie ihr Kiefer sich dehnt.
«Wir sollten langsam gehen», sagt Bob. «Ruth muss morgen früh raus.»
«Ach, Ruth ist doch eine Nachteule.» Cathbad schenkt sich Brandy nach.
«Das war ich mal», sagt Ruth. «Inzwischen bin ich eine Lerche. Wenn auch nicht ganz freiwillig.»
«Na komm, Cathbad.» Bob steht auf und dreht sich zu Ruth um. «Danke für den schönen Abend.»
«Danke für das Feuerwerk.»
Bob grinst. «Tja, der Sonnengott muss eben auch sein Opfer haben. Stimmt’s, Cathbad?»
«Auf jeden Fall.»
«Soll ich dich noch irgendwo hinfahren?», fragt Bob. Ruth hat gar nicht daran gedacht, dass Cathbad ja ohne Wagen hier ist. Er fährt so gut wie nie. Er besitzt zwar ein Auto, doch das ist das klapprigste Gefährt, das Ruth je gesehen hat. Erik hat immer gemutmaßt, dass es wohl noch aus der Bronzezeit stammt.
«Nein, danke. Ich gehe nachts gern zu Fuß.»
«Dann fahre ich dich wenigstens bis Snettisham.»
«Na gut.»
Ruth sieht ihnen nach. Das Salzmoor liegt schwarz und schweigend; noch haben die Götter der Nacht die Oberherrschaft. Als Bobs Rücklichter im Dunkeln verschwunden sind, geht Ruth ins Haus zurück und verriegelt die Tür.
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12
Der Necromancer kantert die Allwetterbahn entlang. Er läuft bergan, der Hals wölbt sich unter dem Zaumzeug, die kräftigen Hinterläufe treiben ihn mit langen, schwungvollen Sprüngen voran. Als er oben an der Steigung abbiegt, schlagen seine gewaltigen runden Hufe Funken aus dem zerstampften Boden. Er erhebt sich in die Luft, die Augen glutrot, Mähne und Schweif in hellen Flammen. Er fliegt über das Haus hinweg. Nun ist die Milchstraße seine Rennstrecke, die Sterne sind sein Hindernis. Der Asteroidengürtel schlängelt und windet sich unter seinen Füßen. Er wird zur Schlange, die zischelnd auf die Erde herabfällt. Die Schlange ist größer als der Himmel, größer als die Erde. Die Schlange ist klein genug, um ihm ins Ohr zu flüstern: «Du wirst sterben.»
Danforth Smith schreckt hoch, und sein Herz macht einen Satz. Er hört den eigenen Atem im leeren Zimmer widerhallen. Seine Bettdecke ist schweißnass. Er tastet nach dem Wasserglas, fasst aber stattdessen an eine tote Hand. Er liegt neben der Leiche des Bischofs, der ihm das grauenvolle Schädelgesicht zugewandt hat. Danforth will schreien, doch seine Stimme ist ihm abhandengekommen. Voll Entsetzen beobachtet er, wie eine Schlange aus dem Brustkorb des Gerippes kriecht. Grün wie der Tod windet sie sich zwischen den vorstehenden Knochen hindurch. Er weiß, dass sie es auf ihn abgesehen hat, doch ebenso sicher weiß er, dass er sich nicht bewegen, ja, nicht einmal eine abwehrende Hand ausstrecken kann, als der trockene, glatte Körper sich an ihn presst.
Wird sie ihn nun holen, die schwarze Kutsche mit den sechs Pferden und dem kopflosen Fuhrmann? Er hört Niamhs Stimme, ihren süßen irischen Tonfall, glockenhell und klar: «Wenn sie vor deiner Türe hält, dann gibt es kein Entrinnen mehr. Deine Zeit ist gekommen.» Am Himmel strahlen goldene und silberne Sterne, das schwarze Pferd galoppiert über das Firmament. Für einen Moment steht ihm Romilly vor Augen, Hand in Hand mit einer schemenhaften Gestalt, die er nicht erkennt. Dann Randolph, der aus vollem Hals lacht. Und Tamsin, doch sie wendet das Gesicht ab. Schließlich Caroline. Sie will ihm etwas sagen, doch er hört sie nicht. Jetzt kommt auch der Kater Lester, zur Größe eines Löwen angewachsen. Lester öffnet das Maul, und
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