Allerliebste Schwester
schlecht.« Jetzt drängt er mich in die Enge, denkt Eva. Simon will’s wissen . »Aber nächste Woche müsste es irgendwann gehen«, fügt sie hinzu, als sie seine Enttäuschung bemerkt.
»Gern!« Er ist sichtlich erfreut. »Schlag was vor, ich habe jeden Abend Zeit.«
»Ich muss in meinem Kalender nachsehen, irgendwas war nächste Woche. Aber ich rufe dich an und sage dir, wann es passt.« Sie hofft, dass ihm nicht auffällt, wie nervös sie ist, dass sie in Gedanken gerade nicht bei einem gemütlichen Abend zu zweit, sondern bei der Frage ist, wie sie diesen organisieren soll. »Und jetzt muss ich wirklich gehen«, sagt sie und schält sich aus seiner Umarmung.
»Schade«, seufzt er, »ich hätte dich gern länger bei mir gehabt.«
Sie küsst ihn noch einmal. »Denk an nächste Woche, da haben wir uns die ganze Nacht.«
»Du musst dir was einfallen lassen, das ist dir doch wohl klar«, stellt Marlene fest, als Eva zehn Minuten später in ihrem Mini sitzt und nach Hause fährt. »Lange wird das nicht mehr gut gehen, er wird dahinterkommen, dass du ihn anlügst.«
»Aber ich lüge nicht!«
»Du hast gesagt, dass du nicht verheiratet bist«, erinnert Marlene sie.
»Nein. Das hat er gesagt, ich habe das nicht behauptet.«
»Du hast ihm nicht widersprochen. Und du legst deinen Ring ab, wenn ihr euch trefft.«
»Das ist trotzdem noch keine Lüge.«
» Wir haben kaum noch Kontakt miteinander «, zitiert Marlene den Spruch, den ihre Schwester bei ihrem ersten Treffen, beim Spaziergang an der Alster zu Simon gesagt hat, als er nach Tobias fragte.
»Keine Lüge«, wiederholt Eva stoisch und umkrampft mit ihrer rechten Hand den Schaltknüppel.
»Ich bin doch auf deiner Seite.« Marlenes Tonfall ist eindringlich. »Alles, was ich will, ist, dass es dir gut geht.«
»Mit ihm geht es mir gut«, meint Eva. »So kann ich das alles aushalten.«
»Genau deshalb musst du dir etwas einfallen lassen, damit es auch so bleibt.«
»Vielleicht sage ich ihm einfach die Wahrheit«, schlägt Eva vor.
»Das würde ich an deiner Stelle nicht tun.«
»Warum nicht?«
»Weil ich ihn kenne.«
»Wie gut kennst du ihn denn?«
»Gut genug, um zu wissen, dass es damit vorbei wäre.«
»Woher willst du das so genau wissen?«
»Hat er dir nicht selbst gesagt, dass er in mich verliebt war? Dass es aber keinen Sinn gehabt hätte, weil ich ja verheiratet war? Warum sollte es bei dir anders sein?«
Ja. Warum sollte es? Eva hat keine Antwort auf diese Frage und schweigt.
»Und deshalb musst du dir etwas einfallen lassen.«
»Kann ich dich um einen Gefallen bitten?« Am Tag darauf sitzt sie mit Gabriele im Hinterzimmer des Buchladens, im Büro. Eva hat für sie beide beim Bäcker an der Ecke einen Milchkaffee geholt und beginnt nun das Gespräch, das sie die ganze Nacht lang wieder und wieder in ihrem Kopf durchgespielt hat. Denn sie muss sich wirklich etwas einfallen lassen, das hat Marlene richtig erkannt. Und etwas anderes, als Gabriele um Hilfe zu bitten, ist ihr nicht eingefallen. Ich bin doch deine Freundin , hat ihre Chefin ihr schließlich einmal versichert. Jetzt wird es sich zeigen.
»Natürlich«, antwortet Gabriele.
»Als du mich neulich gefragt hast, ob es zwischen mir und Tobias Probleme gibt, da habe ich nicht ganz die Wahrheit gesagt.«
»Das dachte ich mir schon.« Ihr Gesichtsausdruck eine Mischung aus Besorgnis und Sensationslust, gepaart mit etwas Genugtuung - ja, sie hat mit ihrer Vermutung
richtiggelegen, so viel Lebenserfahrung hat sie, dass sie merkt, wenn etwas nicht stimmt, da kann ihr keiner was vormachen. »Ist ja auch kein Wunder nach allem, was ihr erlebt habt.«
»Nein, ein Wunder ist das nicht«, stimmt sie ihrer Chefin zu. Sie gibt sich innerlich einen Ruck und wagt sich zu ihrem eigentlichen Ansinnen vor. »Frag mich bitte nicht warum, aber ich möchte Tobias gern sagen, dass wir beide nächste Woche zusammen irgendwohin fahren und da auch übernachten.«
»Wieso das?«
»Bitte, du sollst doch nicht fragen.«
»Es gibt einen anderen«, stellt Gabriele fest. Noch mehr Sensationslust, noch mehr Genugtuung, am liebsten würde Eva zurückrudern und sagen, Gabriele solle einfach vergessen, was sie gerade gefragt hat. Aber das geht nicht, sie muss sich etwas einfallen lassen, und da es sonst niemanden gibt, mit dem sie eine Freundschaft verbindet oder wenigstens so etwas in der Art, ist Gabriele ihre einzige Option.
»Ja.« Sie gibt es schnörkellos zu, denn jetzt ist es auch egal. »Es gibt
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