Alles auf Anfang! (German Edition)
für ihre Mutter und
legte den Zettel auf den Wohnzimmertisch. Falls sie erwachte, brauchte sie sich
keine Sorgen um Lisa machen.
Die beiden verließen leise die Wohnung und
gingen über den Prozessionsweg zum Kanal.
Sie schwiegen.
Wenig später setzten sie sich auf eine Bank
und sahen in der Dämmerung den Enten und Schiffen zu.
Ludger brach als Erster das Schweigen.
„Willst du trotzdem nach München zurück?“
„Ich weiß es nicht. Eigentlich schon,
obwohl ich Mama nicht gerne allein lasse. Vielleicht nehme ich sie mit. München
hat ihr gut gefallen und es wäre ein Neuanfang für sie. Hier kleben doch an
jeder Ecke Erinnerungen.“
„Du kannst nicht für sie entscheiden,
Lisa.“
„Das weiß ich selber“, entgegnete sie
genervt.
„Hör mal Ludger. Ich bin dir wirklich sehr
dankbar, dass du dich um mich gekümmert hast. Es tut mir auch leid, wie ich
mich dir gegenüber in München verhalten habe. Vielleicht war das nicht fair,
aber für mich war das die einzige Möglichkeit, mich zu befreien. “
Gerne hätte sie noch hinzugefügt, „von dir
zu befreien“, aber das verkniff sie sich.
„Bleibe doch hier Lisa und lass es uns noch
einmal versuchen, bitte!“
Mein Gott, der Junge hatte wirklich nichts
begriffen. In ihr stieg eine fürchterliche Wut auf und am liebsten hätte sie
ihn angeschrien, konnte sich aber gerade noch bremsen.
„Ludger! Mache es mit doch nicht so schwer,
verdammt noch Mal. Ich hätte dich wirklich gerne als Freund, aber nicht als
meinen Freund. Wenn du das nicht akzeptieren kannst, dann ist es besser, wir
brechen den Kontakt an dieser Stelle ab. Denk darüber nach! Eine Beziehung hat
nur dann wirklich eine Chance, wenn beide Partner gleich stark lieben. Für mich
fühlte es sich in den letzten Jahren eher an wie eine
Bruder-Schwester-Beziehung. Das kann es doch nicht sein!
Ich mag dich wirklich sehr Ludger, aber ich
liebe dich nicht. Das klingt hart für dich, aber es ist die Wahrheit.
Irgendwann würde es wahrscheinlich noch mehr weh tun. Vielleicht könnten wir
noch ein paar Monate zusammenleben. Ich will nicht abstreiten, dass mir eine
Schulter zum Anlehnen gut tun würde in meiner derzeitigen Situation. Trotzdem
ist das kein Grund für mich, dich auszunutzen. Es hat kein Zweck. Ich bin mir
ganz sicher, dass ich eines Tages erneut ausbrechen würde. Für mich ist das
Thema durch. Tut mir leid, Ludger. Es geht funktioniert für mich nicht mit uns
beiden! Bitte begreife das!“
Lisa wollte Ludger über den Arm streichen.
Wie elektrisiert zog er ihn aber weg.
„Ich kann das nicht, Lisa. Ich kann nicht
dein Freund sein, weil ich dich liebe. Ich kann mir nicht eines Tages ansehen,
wie du mit einem anderen Mann glücklich bist. Das schaffe ich nicht! Du bist
die Liebe meines Lebens und das wird immer so bleiben. Ich wünsche dir Glück!“
Er stand auf und ging.
Lisa wollte ihn noch aufhalten, doch im
tiefen Inneren ihres Herzens war sie erleichtert. Er drehte sich nicht mehr um.
Lisa sah ihm noch lange nach. Er bog um die Straßenecke und war aus ihrem Leben
verschwunden.
Sie blieb noch eine Weile sitzen und schaute
auf das Wasser. Ein Lastkahn schipperte vorbei. An der Schleuse blinkten bunte
Lampen und ein Liebespaar zog eng umschlungen vorbei.
Der Sommer stand vor der Tür. Der bisher
traurigste ihres Lebens.
Gezeichnet vom Abschied machte sie sich
langsam auf dem Heimweg. Morgen würde sie mit ihrer Mutter reden.
Plötzlich überkam sie eine große Sehnsucht
nach ihrer langjährigen Freundin Sara. An die hatte sie lange nicht gedacht.
Auch Sara hatte einen furchtbaren Schicksalsschlag verkraften müssen, als ihr Mann
sich das Leben genommen hatte. Erst zu diesem Zeitpunkt hatte sie davon
erfahren, dass er homosexuell war und an seinem inneren Zwiespalt zerbrochen
war.
Lisa hatte Sara immer um ihren
gutaussehenden Ehemann beneidet, der nebenbei noch Juniorchef einer Hamburger
Reederei war.
Aber Sara bekam vom Leben eine zweite
Chance und lebte jetzt mit ihrer Jugendliebe Jens und den gemeinsamen Kindern
auf der Ferieninsel ihrer Kindheit.
Lisa beschloss, Sara in den nächsten Tagen
anrufen.
Vielleicht konnte Lisa den nächsten Urlaub
bei ihr verbringen. Die Nordseeluft würde ihr gut tun und die traurigen
Gedanken wegblasen.
Siedend heiß fiel ihr in diesem
Zusammenhang ein, dass sie sich noch nicht wieder bei Ben von Lichtenfels
gemeldet hatte.
Das hatte morgen höchste Priorität. Morgen!
Für sie würde es ein Morgen geben.
Für
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