Alles auf Anfang! (German Edition)
eines Anderen betrachtet.
Heidelberg, die Stadt der Verliebten.
Dieses heimelige Städtchen hätte sie gerne einmal bereist. Seltsam, zu welchen
Gedanken man fähig ist. Ob Mona jemals wieder reisen würde? Lisa dachte an ihre
Schwester, die sie immer heimlich bewundert hatte, weil ihr alles in den Schoss
zu fallen schien. Es hatte den Anschein, als müsse Mona das erste Mal in ihrem
Leben um etwas kämpfen. Um ihr Leben! Lisa wollte das Bild, das in ihr aufkam,
nicht zulassen. Das Bild einer jungen Frau, an Schläuchen und Apparaten. Ihr
Blick wandte sich ihrer Mutter zu, die für einen Augenblick die Augen
geschlossen hatte. Sie wirkte um Jahre gealtert. Ihre Haut wirkte wie
Pergament, fast durchsichtig. Die pulsierenden Adern ihrer Schläfen verrieten
ihre innere Aufregung. Zärtlich strich Lisa ihrer Mutter über die Wange.
„Wir schaffen das schon, Mama!“
Sie schien tatsächlich in den Schlaf
gefunden zu haben, denn sie reagierte nicht.
Ein Bahnangestellter mit seinem mobilen
Bordrestaurant bot Würstchen und Getränke an.
Lisa bestellte sich Kaffee. Das schwarze
Getränk war nicht besonders stark, verhalf ihr aber zu ein wenig innerer Wärme.
Am späten Nachmittag erreichten sie
Münster. Sie nahmen ein Taxi ins Mauritzviertel, um sich auf die Schnelle
frisch zu machen. Der Taxifahrer wartete vor Marthas Wohnung und brachte die
beiden Frauen zum Uniklinikum.
Die drei silbrigen Rundbauten streckten
sich dem Himmel entgegen und wirkten beängstigend
Hinter der Fassade konnte man alles
vermuten. Hier war so viel Leid und Kummer zusammengepfercht, dass Lisa der
Atem stockte, als sie das Gebäude betraten. Schachbrettartige Fußböden
empfingen sie. Jede Etage war anders farbig.
Am Empfang hatte man ihnen eine gute
Beschreibung gegeben. Mutter und Tochter mussten Kittel und Mundschutz tragen
und durch eine Schleuse gehen. Eine Schwester zeigte ihnen das Zimmer auf der
Intensivstation.
Lisa merkte, wie ihre Knie anfingen zu
zittern und eine eiskalte Gänsehaut sich großflächig über ihren ganzen Körper
ausbreitete. Dann wurde ihr schwindelig und schwarz vor den Augen. Es war nur
ein kurzer Augenblick. Sie schwankte und konnte gerade noch einen Stuhl im
Korridor erreichen.
„Setzen Sie sich doch einen Augenblick. Ich
hole Ihnen ein paar Kreislauftropfen und einen starken Kaffee.“
„Danke.“
Sie sah gerade noch ihre Mutter in das
Zimmer verschwinden, in dem Mona lag.
Es dauerte nicht lange, bis die Schwester
mit dem Kreislaufmittel und dem Kaffee zurück kam.
„Nehmen Sie das. Das wird Ihnen gut tun. Es
tut mir leid, was mit ihrer Schwester passiert ist!“
„Wie geht es ihr?“
„Der Professor wird gleich zu Ihnen kommen
und mit Ihnen und ihrer Mutter sprechen. Es ist besser, wenn er das macht.“
„Kann ich zu ihr“
„Fühlen Sie sich stark genug?“
„Ja.“
„Kommen Sie, ich begleite Sie.“
Ihre Mutter saß an Monas Bett und hielt
ihre verkabelte Hand. Sie wurde mit einem Schlauch beatmet. Ihr Brustkorb hob
und senkte sich. Sie lag ganz friedlich da, als würde sie schlafen. Ihr Teint
war goldbraun, als wäre sie gerade von einem Sommerspaziergang heimgekehrt.
„Hallo Mona!“
Lisa war mit dieser Situation komplett überfordert.
Sie wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Konnte Mona sie hören?
Martha streichelte ohne Unterlass die Hand
ihrer Erstgeborenen. Stille Tränen liefen ihr über das Gesicht.
Eine Hand legte sich auf Marthas Schultern.
Das musste der Professor sein. Lisa nahm ihn durch einen Schleier von Tränen
wahr.
„Kommen Sie. Gehen wir einen Moment aus dem
Zimmer. Ich möchte mit Ihnen über ihre Tochter sprechen.“
Er führte die beiden Frauen in ein kleines,
helles Zimmer und wies mit der Hand auf zwei Stühle.
„Bitte nehmen Sie doch Platz.“
„Für mich ist es jedes Mal schwer, für
Angehörige meiner Patienten die richtigen Worte zu finden und ihnen klar zu
machen, dass das, was sie sehen nicht das ist, was sie sich wünschen."
„Bitte schenken Sie uns reinen Wein ein.
Wie steht es mit meinem Kind?“
„Ihre Tochter ist vorgestern mit schweren
Frakturen und einem Schädelbasisbruch eingeliefert worden. Ihr Pferd hatte sie
abgeworfen, weil es sich wohl vor einer Schlange in der Wiese erschreckte. Aus welchen
Gründen auch immer, der Riemen des Reithelms löste sich und ihre Tochter schlug
unglücklich mit dem Kopf auf einen Stein. Durch zahlreiche innere Verletzung,
die ihr wahrscheinlich ihr Pferd noch zugefügt hat,
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