Alles auf Anfang! (German Edition)
Mona nie mehr.
Niemals wieder würde sie die Sonne aufgehen
sehen und den Wind auf der Haut spüren.
Ihre Reste lagen jetzt verscharrt in einer
Holzkiste und würden nie mehr das Tageslicht erblicken.
Lisa war den Tränen nah und blickte zum
tiefschwarzen Himmel.
Die Welt drehte sich weiter, als wäre
nichts geschehen.
Die Menschen lebten weiter, obwohl einer
unter ihnen fehlte.
Die meistens bemerkten es gar nicht, weil
sie diesen wunderbaren Menschen gar nicht gekannt hatten.
Lisa fiel wieder ein Spruch ein: Sei nicht
traurig, dass ich nicht mehr da bin, sondern freue dich, dass du mich gekannt
hast.
War das aus ihrem Lieblingsbuch ‚Der kleine
Prinz’?
Der starke Drang nach Hause zu gehen und in
dem Bücherschrank ihrer Kindheit nach ihrem Lieblingsbuch zu suchen, beflügelte
ihre Schritte.
Es war nicht mehr weit.
Als sie die Wohnungstür aufschloss, war es
ganz still.
Martha hatte in einen tiefen Schlaf
gefunden. Lisa schlich auf Zehenspitzen in ihr Zimmer und machte sich direkt
daran, das Buch zu suchen.
Endlich hielt sie es in den Händen. Es war
im Laufe der Jahre ganz vergilbt und roch ein wenig muffig.
Sie setzte sich damit unter die Leselampe
auf das Sofa im Wohnzimmer.
Um ihre innere Kälte abzuwehren, zog sie
die Beine an und kuschelte sich in die grüne Schurwolldecke mit den Fransen.
Die gab es schon so lange Lisa denken konnte. Auch an ihr waren die Spuren der
Zeit nicht vorbeigeschlichen. Schrabbelig, aber schön warm legte sie sich die
Decke über ihre Beine.
Als Lisa vier Jahre alt gewesen war, musste
sie ihr Schneidertalent an dieser Decke ausprobieren. Das Stopfloch hob sich
farblich kaum vom übrigen Grün der Tagesdecke ab.
Bei dieser Erinnerung huschte ein Lächeln
über ihr verweintes Gesicht.
Lisa blätterte ein paar Seiten in ihrem
Buch und las die ein oder andere Stelle.
Fast auf der letzten Seite waren ein paar
Zeilen hervorgehoben. Komisch, sie hatte doch nie in ihren Büchern Worte
unterstrichen?
Sie ließ die Seiten zurückblättern und
schlug das Deckblatt auf.
‚Mona Seiler’ war da in krackeliger Schrift
zu lesen.
Lisas Hals war trocken uns schmerzte vor
Trauer.
Ihr Herz klopfte wie wild, als sie die
unterstrichenen Zeilen las, die von Mona als besonders wertvoll hervorgehoben
worden waren.
Lisa las laut vor:
„Die Leute haben Sterne, aber es sind nicht
die gleichen. Für die einen, die reisen, sind Sterne Führer. Für andere sind
sie nichts als kleine Lichter. Für wieder andere, die Gelehrten, sind sie
Probleme. Für meinen Geschäftsmann waren sie Gold. Aber alle diese Sterne
schweigen. Du, du wirst Sterne haben, wie sie niemand hat.“
„Wenn du bei Nacht den Himmel anschaust,
wird es dir sein, als lachten alle Sterne, weil ich auf einem von ihnen wohne,
weil ich auf einem von ihm lache. Du wirst Lust haben, mit mir zu lachen. Und
du wirst manchmal das Fenster öffnen, gerade so zum Vergnügen. Und deine
Freunde werden sehr erstaunt sein, wenn sie sehen, dass du den Himmel anblickst
und lachst. Dann wirst du ihnen sagen: Ja, die Sterne bringen mich immer zum
Lachen!“
Eine weitere Stelle war besonders
hervorgehoben und Lisa spürte in diesem Moment ganz stark Monas Nähe. Ganz so,
als wenn ihre Schwester sie in diesem Augenblick in den Arm nahm und sie
trösten wollte. Sie spürte sie ganz nah bei sich.
„Es wird aussehen, als wäre ich tot, und
das wird nicht wahr sein. Du verstehst, es ist zu weit, ich kann diesen Leib da
nicht mitnehmen. Er ist zu schwer. Aber er wird daliegen wie eine alte
verlassene Hülle. Man soll nicht traurig sein um solche alten Hüllen.“
Lisa legt das Buch aus der Hand. Die
Buchstaben verschwommen vor den Augen. Sie ließ sich auf das Sofa sinken,
zusammengekrümmt wie ein Embryo und weinte ihren Schmerz in die alte, schäbige
Decke.
War es wirklich so einfach? Es war eine
tröstliche Vorstellung, dass ein Stern dort oben am Himmelszelt ihre Mona war
und sie von nun an auf sie hier unten aufpassen würde. Konnte es einen schöneren
Trost geben?
Lisa ging zum Fenster und riss es auf. Sie
schaute zum tiefschwarzen Himmel. Der hellste Stern, den sie entdecken konnte,
sollte ab heute ihr Glücksstern sein. Sie schaute hinauf und lachte.
„Ja, ich bin froh dich gekannt zu haben!“
Carla wartete in ihrem Zweisitzer vor der
Bank auf Ben. Sie hatte gehört, wie er sich von Frau Santorius verabschiedet
hatte.
„Noch immer nichts von Frau Seiler?“
„Nein, leider!“
„Morgen
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