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Alles auf Anfang Marie - Roman

Alles auf Anfang Marie - Roman

Titel: Alles auf Anfang Marie - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Schroeder
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wirklich angenommen, mit diesem einen Termin hätte ich meine Pflicht erfüllt.
    »Das hat sie nicht gesagt. Aber es könnte doch sein, dass die Kinder irgendwas eingeübt haben, um sich zu bedanken, und damit wollen sie uns überraschen.«
    »Ich komme«, sagte ich seufzend. Eine halbe Stunde   – das könnte ich gerade so schaffen, wenn ich rasch noch den zweiten Türflügel fertig putzte, mich dann in meinen Hosenanzug warf und zum Kindergarten fuhr. Da soll noch mal einer sagen, als Hausfrau hätte man immer so viel Zeit.
    Bernhard und ich trafen uns vor dem Kindergarteneingang und gingen gemeinsam hinein. Weit und breit war kein Kind zu sehen, aber vielleicht war das ja Teil der Überraschung. Allerdings wirkte Frau Schirmer eher etwas nervös als freudig gespannt, und sie lotste uns auch direkt in ein kleines Büro, wo nun garantiert keineKindergruppe auftreten und uns ein Dankesständchen bringen würde.
    Jetzt war ich ein wenig verwundert. Was sollte denn das? Frau Schirmer räusperte sich ein paarmal und schob einige Sachen auf ihrem Schreibtisch hin und her. »Ich denke, Sie fragen sich jetzt sicher, warum ich Sie noch einmal hergebeten habe«, sagte sie.
    »Allerdings«, sagte Bernhard. »Ist etwas nicht in Ordnung mit der Spende? Sie müssten die Überweisung längst erhalten haben.«
    »Doch, doch«, sagte Frau Schirmer und räusperte sich erneut. »Damit ist alles in Ordnung. Es ist   … Tja   … Mir ist das sehr unangenehm, aber   …«
    »Immer raus mit der Sprache«, ermunterte Bernhard sie. »Wo liegt denn das Problem?«
    »Ja, also   … Heute Morgen hat mich eine Mutter angerufen und   … nun ja, sie hat mir angekündigt, dass sie gegen Sie beide Anzeige erstatten will.«
    Uns fiel beiden die Kinnlade herunter. »Gegen uns? Aber warum denn?«
    Man sah Frau Schirmer an, dass sie sich wünschte, anderswo zu sein und nicht dieses Gespräch führen zu müssen. »Sie sagte   … also, sie behauptet, dass Sie ihrem Sohn Geld gegeben haben, damit er   … äh   … nett zu Herrn Braun ist. Und deshalb wird sie Sie wegen sexueller Belästigung Minderjähriger anzeigen.«
    Bernhard wurde leichenblass. »Aber das stimmt nicht«, flüsterte er.
    Ich war bestimmt auch blass. Auf jeden Fall war mir innerhalb einer Zehntelsekunde kotzübel geworden. »Das ist ein Missverständnis«, sagte ich mit einer seltsam piepsigen Stimme. »Ich habe doch nur   …«
    Bernhard sah mich entsetzt an. »Du hast das tatsächlich getan? Du hast dem Kind Geld gegeben?«
    Auch Frau Schirmer betrachtete mich mit einer gewissen Ungläubigkeit. »Hat Kevin Geld von Ihnen bekommen, Frau Overbeck?«
    Ich rang nach Worten, um das aufzuklären. »Ja, ich habe   …«
    »Marie!«, rief Bernhard schockiert. »Ist dir klar, in was für eine Lage du mich gebracht hast? Und damit auch den ganzen Club?«
    »Moment«, stieß ich hervor, »nun lass mich doch erst mal ausreden! Ich kann das erklären.« Und dann wurde mir klar, dass ich diesen Spruch in unzähligen Filmen schon mal gehört hatte. Meistens dann, wenn die Situation eindeutig war. Und sexuell verfänglich.
    »Was gibt es da zu erklären?«, sagte Bernhard anklagend.
    Frau Schirmer war eine Spur gelassener. »Vielleicht sollten wir Frau Overbeck erst mal anhören, Herr Braun.«
    »Genau«, sagte ich. »Ich habe Kevin die sechs Euro gegeben, als er draußen im Sandkasten saß und heulte, weil er das Geld für den Zoo nicht hatte. Er tat mir so leid. Und dann   … ich weiß, dass das eine blöde Idee war, aber   … Dann habe ich ihm erklärt, dass gleich ein Mann kommt, vor dem viele Kinder Angst haben. Ob er nicht so tun kann, als ob er keine Angst hat, nur für das Foto. Mehr war da nicht.«
    »Das reicht schon«, jammerte Bernhard. »Ich bin ruiniert. Keiner wird glauben, dass das harmlos war. Wenn sich das rumspricht   …«
    Frau Schirmer beurteilte das pragmatischer. Vielleicht sah sie ja auch nur die Gefahr, dass sie die Spende nicht annehmen konnte, falls der Präsident des spendenden Vereins in den Ruf sexueller Belästigung geriet. »Das muss sich nicht rumsprechen«, befand sie. »Wenn es sichso verhalten hat, wie Frau Overbeck sagt, dann war das vielleicht dumm, aber nicht wirklich schlimm.«
    Das »dumm« tat mir weh, war aber zugegebenermaßen nicht ganz unberechtigt. Bernhard sah eine Spur hoffnungsvoller aus. »Glauben Sie?«
    »Warten Sie bitte einen Moment hier«, sagte Frau Schirmer und stand auf. »Ich werde jetzt mal eben Kevin dazu befragen.«

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