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Alles auf Anfang Marie - Roman

Alles auf Anfang Marie - Roman

Titel: Alles auf Anfang Marie - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Schroeder
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schnell, um mein Überleben zu sichern.
    »Das seh ich«, erwiderte der Mann und musterte mich. Genau wie ich ihn musterte. Er war groß, braun gebrannt und hatte ganz kurz geschnittene graue Haare, was ihm insgesamt den Eindruck von Alterslosigkeit verlieh. Er trug eine Latzhose und darunter ein pinkfarbenes Polohemd, und ganz spontan durchzuckte mich der Gedanke, dass es an diesem Kerl kein überflüssiges Gramm Fett gab. Er hätte eine angenehme Erscheinung abgegeben, wenn er nicht so böse geguckt hätte.
    Aber ich war auf einer Mission und durfte mich durch böse Blicke nicht abschrecken lassen. »Ich bin auf der Suche nach Familie Nowakowski«, erklärte ich.
    Der Blick änderte sich von böse zu erstaunt. »Da fallen Sie ein bisschen aus dem üblichen Raster«, sagte der Mann. Vermutlich kamen hier eher selten Frauen mit Blumensträußen vorbei. Jetzt runzelte er die Stirn. »Ich kenn Sie doch, oder?«
    »Ich kenne Sie jedenfalls nicht«, sagte ich, was ihn aber nicht dazu animierte, sich vorzustellen.
    »Sie waren in der Zeitung!«, fiel ihm jetzt ein. Na klar, demnächst würden mich noch die Müllmänner begrüßen. »Haben Sie für die Nowakowskis auch eine Spende?«
    »Eher nicht«, sagte ich. »Ich wollte Frau Nowakowski nur kurz besuchen. Ich hab gehört, sie ist krank.«
    »Krank?«, wiederholte er. »Tja, so kann man es auch nennen. Dann gehen Sie mal hinterm Haus die Treppe hoch, durch die Tür und den Flur lang. Vorsicht, da fahren die Kinder immer mit dem Skateboard. Mit Besuch rechnen die nicht.«
    »Vielen Dank«, sagte ich und wollte an ihm vorbei in die beschriebene Richtung gehen. Aus der Tür hinter ihm drang ein leichter Geruch nach Nagellackentferner, und man konnte hören, dass dort noch andere Leute bei der Arbeit waren, die sich unterhielten.
    »Und Sie sind sicher, dass Sie keinen Scheck zu übergeben haben?«, fragte er noch mal nach.
    Wenn ich was zu übergeben hatte, dann mich selber. Meine Nervosität und dieser chemische Geruch waren keine gute Mischung. Ich wedelte mit meinem Strauß. »Heute nur Blumen.«
    »Sehr schade«, sagte er und machte die Tür hinter sich zu.
    Ich stöckelte weiter hinter das Haus und fand die beschriebene Treppe, die mich an die Feuerleitern aus amerikanischen Filmen erinnerte. Die Stufen bestanden aus der Art Gitter, die man auch für Kellerschächte verwendet,und waren somit für Pumps denkbar ungeeignet. Aber ich biss die Zähne zusammen. Meine Angst vor Bernhard und der Rache des Clubs war größer als die Aversion gegen Treppenstufen, durch die man nach unten gucken konnte.
    Die Metalltür am Ende der Treppe war nur angelehnt. Ich machte sie ganz auf und befand mich nun in einem Fabrikflur, der bestimmt fünfzehn Meter lang war. Ich konnte mir gut vorstellen, dass man hier Skateboard fahren konnte, allerdings musste man dabei allerlei Plunder ausweichen, von Kartons und Müllsäcken unterschiedlicher Größe über einen gammeligen Kinderwagen bis zu einer Waschmaschine und einem wackligen Trockengestell.
    Am Ende des Flurs gab es wie angekündigt eine weitere Tür. Keine Wohnungstür, sondern eine weitere rostrot gestrichene Metalltür. Keine Klingel, kein Schild.
    Dahinter hörte ich Stimmen. Zeternde, weinerliche und wütende. Einen Moment zögerte ich   – keiner platzt gern in eine Auseinandersetzung bei fremden Leuten. Aber ich musste es tun. Dies war kein Höflichkeitsbesuch. Ich klopfte an die Tür, die daraufhin laut schepperte.
    Die Stimmen drinnen focht das nicht an. Aber eine weitere Stimme rief über das allgemeine Geräusch: »Was is? Was wollt ihr schon wieder?«
    Ich wartete einen Augenblick, aber niemand kam. Deshalb entschied ich mich, die Klinke zu testen. Die Tür war nicht abgeschlossen und ich öffnete sie. Und stand in einem kleinen Durchgang, der offensichtlich als Garderobe diente und sich seitlich in einen großen Raum öffnete, einer von der Sorte, die in Architekturzeitschriften als »Loft« bezeichnet werden.
    Dieser Raum wäre allerdings nie in einer Architekturzeitschriftabgebildet worden, das war mir sofort klar. Lofts wurden sparsam und ausgesucht möbliert und vermittelten insgesamt ein Gefühl von abgehobenem Stil. Dieser Raum war das genaue Gegenteil. Hätte er nicht so penetrant nach Frittenfett mit einer Spur von Angebranntem gerochen, hätte man glauben können, es handele sich um das Lager eines Trödelhändlers.
    Die Stimmen, die ich gehört hatte, kamen aus einem großen Fernseher, in dem gerade eine

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