Alles auf Anfang Marie - Roman
Sie verließ den Raum mit federnden Schritten.
Ich schielte vorsichtig zu Bernhard hinüber. »Tut mir wirklich leid.«
Er war noch nicht beruhigt. »Marie! Wie konntest du das tun! Mich so zu kompromittieren! Ich werde sofort mein Amt aufgeben müssen! Vielleicht muss ich sogar mein Büro verlagern. Wer will schon mit jemandem zu tun haben, der als pädophil bekannt ist?«
Ich fand, dass er jetzt etwas überdramatisch wurde, aber ich hielt es für falsch, ihm das zu sagen. »Es ist doch nichts passiert«, sagte ich stattdessen zu meiner Verteidigung.
»Das interessiert doch die Leute nicht! Die glauben doch jeden Klatsch und Tratsch. Wenn sich das rumspricht, bin ich fertig.« Jetzt sah er mich drohend an. »Aber du und dein Mann auch.«
»Mein Mann? Was hat denn der damit zu tun?« Obwohl ich das absurd fand, spürte ich aber doch, wie es mir eiskalt den Rücken runterlief. Vielleicht hatte er recht. Wenn aus einer solchen Unbesonnenheit ein Skandal wurde, dann würde das wohl auch vor Henning nicht Halt machen. Dann half vielleicht nur noch, dass ich die Schuld auf mich nahm, von der Talsperrenmauer sprang und ihn als Opfer zurückließ. Aber der Gedanke war mir nicht besonders angenehm.
Jetzt war Bernhard richtig in Fahrt. »Je nachdem wirdes den ganzen Club treffen. Vielleicht werden wir sogar aufgelöst oder aus dem Distrikt ausgeschlossen. Und das muss ausgerechnet in meiner Präsidentschaft passieren!« Er stöhnte laut. »Und alle haben das Foto in der Zeitung gesehen, wo ich diesen Knirps auf dem Arm habe und lache! Wie konnte das nur ausgerechnet mir passieren!«
Ich verzichtete darauf, ihm vorzuhalten, dass es seine Idee gewesen war, mich mitzunehmen. Hätte er das Ganze wie gehabt durchgezogen, dann wäre er allein im Kindergarten aufgetaucht, die Kinder hätten wie üblich Angst gehabt, Kevin wäre nicht mit in den Zoo gefahren … Und wir hätten alle kein Problem.
Frau Schirmer kam zurück und setzte sich wieder uns gegenüber. »So, der Junge hat die Geschichte bestätigt. Frau Overbeck hat ihm nur die sechs Euro für den Zoobesuch gegeben. Die Geschichte seiner Mutter klang da etwas anders. Angeblich haben Sie das Kind sogar gewaschen, bevor Sie es dem Mann zugeführt haben.«
»Er war ziemlich schmutzig«, verteidigte ich mich. »Ich wollte nicht, dass man das auf dem Foto sieht.«
»So was sieht man auf Fotos nicht so deutlich«, sagte Frau Schirmer mit der Erfahrung von Jahren im Kindergartendienst.
Bernhard war noch nicht zufrieden. »Und was machen wir jetzt? Diese Anzeige ist ja damit noch nicht vom Tisch!«
»Leider nein«, sagte Frau Schirmer. »Am besten, Sie versuchen das mit Frau Nowakowski direkt zu klären. Sie ist sehr besorgt um ihre Kinder. Und oft ein bisschen überfordert.«
Bernhard sah mich herausfordernd an. »Das musst du machen, Marie. Ich setze keinen Fuß in das Umfeld dieses Kindes.«
»Ich?«, stotterte ich erschrocken.
»Ja, du. Du hast mich in diese Lage gebracht. Ich erwarte von dir, dass du das auch wieder in Ordnung bringst.«
Irgendwie musste ich ihm ja recht geben. Auch wenn mir überhaupt nicht wohl war bei dem Gedanken, mit Frau Nowakowski zu sprechen und zu versuchen, sie umzustimmen. Was, wenn sie darauf nicht einging?
Frau Schirmer reichte mir einen Zettel. »Dies ist die Adresse. Sie könnten heute Nachmittag um vier hinfahren, da wäre Kevin auch zu Hause und könnte Ihre Darstellung bestätigen.«
Heute Nachmittag schon. Bitte nicht! Aber dann hätte ich es hinter mir. Mit zittrigen Fingern nahm ich den Zettel. Irgendwie hatte ich mir gerade noch vorgestellt, ich könnte die Mutter hier im Kindergarten sprechen, am besten, wenn Frau Schirmer auch dabei war. Aber sie war ja krank, fiel mir ein. Leider nicht zu krank, um die Zeitung zu lesen und aus dem Bericht ihres Sohnes die falschen Schlüsse zu ziehen.
Eine Sache fiel mir noch ein. »Sagen Sie, was ist denn mit Herrn Nowakowski?«
Frau Schirmer sah mich mitleidig an. »Den gibt es nicht«, sagte sie. »Die Frau Nowakowski schafft es auch allein, sich fortzupflanzen.«
Ausgerechnet heute hatte uns Hilde zum Kaffee eingeladen. Ich rief sie an und sagte, dass es etwas später werden würde.
»Ach, du jetzt auch noch?«, jammerte sie. »Erst sagt mir Angelika ab, weil sie mit ihrem Köter zum Friseur muss, dann hat Lore plötzlich eine Sitzung von ihrem Verein, und jetzt kannst du auch nicht. Ich weiß gar nicht, wofür man langfristig Termine macht.«
»Ich komme auf jeden
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