Alles auf Anfang Marie - Roman
erstatten.«
»Na ja«, sagte sie nachdenklich. »Vermutlich haben Sie recht.«
Ich atmete erleichtert aus.
Sie studierte die Bildunterschrift. »Sie haben zweitausendfünfhundert Euro an den Kindergarten gespendet?«
»Nicht ich«, sagte ich hastig. »Das kommt von demClub, zu dem mein Mann und dieser Herr Braun gehören.«
»Das ist eine Menge Geld«, sagte sie. »Da könnte man viel mit machen.«
Das klang fast so, als wollte sie doch noch ein wenig Profit aus der Sache schlagen. »Was wollen Sie damit sagen?«, fragte ich vorsichtig.
Frau Nowakowski seufzte und wies mit einer vagen Geste auf das Loft um sie herum. »Sehen Sie sich das doch an, wie wir hier hausen. Was ich vom Sozialamt für mich und die Kinder kriege, reicht hinten und vorne nicht. Und der Kindergarten kriegt mal eben ein paar tausend Euro, um neue Stühlchen zu kaufen.«
»Aber das ist doch auch wichtig«, sagte ich. »Immerhin geht ihr Sohn ja auch in den Kindergarten.«
»Nicht mehr lange«, sagte sie. »Nach den Ferien kommt er in die Schule. Ich weiß gar nicht, wie das gehen soll. Jetzt muss ich auch noch liegen. Wegen der vorzeitigen Wehen.«
Jetzt kapierte ich endlich. Sie war wieder schwanger und nicht krank. Was war ich doch für ein naives Blondchen! »Aber da müssten Sie doch irgendeine Hilfe haben, oder?«
»Eigentlich schon. Die wollten mir eine Familienhelferin schicken. Aber die hatte einen Autounfall, und wegen der Ferienzeit haben die keine Vertretung, und jetzt kommt nur einmal in der Woche jemand.«
Immerhin erklärte das den Zustand der Wohnung. »Und Sie haben keinen in der Familie oder im Freundeskreis, der Sie unterstützt?«
»Familie hab ich nicht«, sagte sie. »Und Freunde … Tja, meinen Freund haben sie vor ein paar Monaten abgeschoben. Aber der hätte hier eh nix gemacht. Muslimische Männer tun das nicht, die haben ihren Stolz.«
Ich hatte das Gefühl, in ein Paralleluniversum zu schauen. Das waren Verhältnisse, die mir völlig fremd waren. Aber da musste sich doch was machen lassen! Es konnte doch nicht sein, dass hier eine Frau mit mehreren Kindern auf der Couch lag, um ihr Baby nicht zu verlieren, während um sie herum langsam das Chaos überhandnahm, und niemand kümmerte sich darum!
»Hören Sie«, sagte ich aus einem mich selbst überraschenden Impuls heraus. »Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Ich muss jetzt weg, aber ich komme morgen wieder und bringe Ihre Küche in Ordnung. Dafür vergessen Sie das Thema mit der Anzeige, denn wie sich gezeigt hat, war das ja ganz harmlos. Können wir uns darauf einigen?«
»Also Sie kommen morgen und machen in der Küche sauber?«, rekapitulierte sie. »Einfach so?«
Schon jetzt hatte ich das Gefühl, ich würde das noch bedauern. Aber wenn das der Preis war, um diese Anzeige zu umgehen, dann war es das wert. Es hätte schlimmer kommen können. »Wäre halb zehn in Ordnung?«
»Klar. Ich bin ja hier.«
»Gut, dann werde ich da sein.« Ich stand auf und sah mich noch mal um. »Wo ist eigentlich Kevin? Der Kindergarten müsste doch längst aus sein.«
»Oh, der ist mit Gonzalez zum Fußballspielen.«
»Gonzalez?«
»Mein ältester Sohn.«
»Der heißt Gonzalez mit Vornamen?«
Sie sah mich herausfordernd an. »Der Sohn von Uwe Ochsenknecht heißt auch so. Und der ist noch nicht mal Spanier. Gonzalez’ Vater kommt aus Andalusien.«
»Sieh mal einer an«, murmelte ich. Und dann ergriff ich die Flucht. Den Rest würde ich bestimmt morgen erfahren.
Hilde und ihre Rumpfmannschaft, bestehend aus Astrid und Lena, hatten den Kaffee bereits hinter sich gelassen und saßen mit Sekt auf der Terrasse, als ich kam. Hilde enttäuschte mich nicht. Ich hatte ihr kaum meine Blumen überreicht, als sie mich auch schon fixierte und feststellte: »Tatsächlich, das ist nicht Calvin Klein.« Immerhin sagte sie es nicht so finster wie der Mann in der Jim-Beam-Reklame.
»Ich hab ihn extra noch mal angezogen, damit du dich überzeugen kannst«, behauptete ich.
»Zieh ihn so oft an wie möglich«, riet mir Lena. »Nächsten Sommer wird dieser Farbton völlig out sein.«
»Bist du dir sicher?«, fragte Hilde besorgt zurück. »Ich habe neulich noch ein Kleid in einer ganz ähnlichen Farbe gekauft.«
»Zur Not könntest du es ja überfärben«, sagte Astrid spöttisch.
»Das geht nicht«, sagte Hilde. »Es hat weiße Einsätze. Vermutlich werde ich es dann noch zu Petersens Silberhochzeit anziehen und dann zum Secondhandshop bringen.«
Während ich versuchte,
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