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Alles auf Anfang Marie - Roman

Alles auf Anfang Marie - Roman

Titel: Alles auf Anfang Marie - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Schroeder
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ebenfalls in die Knie. Das war das Mindeste, was ich tun konnte, fand ich. Ich sammelte ein Dutzend Blätter auf und reichte sie ihr.
    »Sehr freundlich«, sagte sie. Wir standen beide wieder auf.
    »Ich glaube, ich kenne Sie«, sagte sie mit einem prüfenden Blick auf mich. »Ist Ihr Mann nicht auch Clubmitglied?«
    »Stimmt«, sagte ich missmutig. In Zusammenhang mit diesem blöden Club erlebte ich in letzter Zeit nur Peinlichkeiten. »Ich bin Marie Overbeck.«
    »Charlotte Göbel«, sagte sie und streckte mir eine gepflegte Hand entgegen, die ich verunsichert schüttelte. Wenn Hilde mit ihrer Theorie recht hatte, dann war mir ihr Gatte heute näher gekommen als ihr in letzter Zeit. »Mein Auto steht um die Ecke. Soll ich Sie zum Bahnhof fahren, Frau Overbeck?«
    »Wieso?«, fragte ich verwirrt.
    »Es ist doch noch ziemlich weit von hier aus«, meinte Frau Göbel.
    Ich folgte ihrem Blick auf den Koffer. »Ach so! Nein, ich will nicht verreisen. Ich habe den Koffer gerade gekauft, um damit harmlose Passanten anzugreifen. Es tut mir wirklich leid, ich hoffe, Sie haben sich nicht verletzt.«
    »Halb so wild«, sagte sie beruhigend. Dann nahm sie eins der Blätter von ihrem Stapel und reichte es mir. »Haben Sie nicht Lust, sich unser Kleiderstübchen mal anzusehen? Wir haben heute im Rahmen dieses Marktes ganztägig geöffnet.«
    »Kleiderstübchen?« Ich versuchte, die Aufschrift des Flugblatts zu entziffern, musste aber feststellen, dass dasmal wieder ohne Lesehilfe sehr mühsam war. Meine Brille steckte aber tief in meiner Handtasche, ich hatte wenig Lust, nach ihr zu fahnden.
    »Es ist direkt in der Querstraße«, sagte Frau Göbel. »Wir verkaufen dort gebrauchte Kleidung und unterstützen mit dem Erlös die Obdachloseninitiative.« Sie hatte bereits die Richtung eingeschlagen, und weil ich das Gefühl hatte, ihr nach dieser Schienbeinattacke was schuldig zu sein, ging ich mit.
    »Wer ist ›wir‹?«, fragte ich. »Die Ehefrauen der Clubmitglieder?«
    »Ein paar davon gehören dazu, ja«, sagte sie. »Aber der Ursprung liegt in der Kirchengemeinde, aus der auch die Obdachloseninitiative hervorgegangen ist. Wir hatten das Glück, dass uns eine Familie ihr Ladenlokal zur Verfügung gestellt hat, als sie es nicht mehr brauchte.«
    Sie hatte recht gehabt, es war wirklich nicht weit. Über dem Laden prangte noch das Schild »Haushaltswaren Peters«, während im Schaufenster einige bunte Kleider ausgestellt waren. Frau Göbel schritt zügig durch die bimmelnde Ladentür, und ich wuchtete meinen Koffer hinterher, bevor die Tür wieder zuschlagen konnte.
    Drinnen war es so wie in bisher jedem Secondhandladen, den ich je besucht hatte: eng, dunkel und ein wenig muffig. In Türnähe stand ein großer Tisch, der auch schon bessere Zeiten erlebt hatte, und daran saß eine ziemlich schwangere Frau und nähte gerade einen Knopf an eine Strickjacke.
    »Kommen Sie rein!«, begrüßte sie mich. »Wollten Sie den Koffer abgeben?«
    »Bloß nicht!«, erwiderte ich. »Den brauche ich noch.«
    »Dann können wir ihn rasch auspacken«, schlug sie vor.
    »Aber da ist gar nichts drin«, sagte ich.
    Jetzt sah sie mich etwas unsicher an. »Wollten Sie so viel kaufen, dass Sie dafür einen Koffer brauchen?«
    Endlich mischte sich Frau Göbel ein. »Nadja, das ist Frau Overbeck, eine Bekannte von mir. Sie wollte sich hier mal umschauen.«
    Eigentlich wollte ich das ja nicht. Gebrauchte Sachen sind mir immer ein wenig suspekt. Man weiß nicht, wer vorher dringesteckt hat, und im Zweifelsfall passen die Sachen nicht, wenn sie wirklich schön sind. Aber jetzt stand ich mitten in dieser Höhle und ließ ratlos meine Blicke schweifen.
    »Auf dieser Seite ist die Damenmode«, erklärte Frau Göbel mir. »Dort hinten haben wir Herrensachen, und die Kinderkleidung ist dort.«
    Gut, dass sie mir das erklärt hatte, denn die Sachen in den Regalen und auf den Ständern sahen irgendwie ziemlich zufällig zusammengeschmissen aus. Um irgendwas zu tun, näherte ich mich einem der Damen-Ständer und tat so, als würde ich das Angebot sichten. Eigentlich konnte man auch nicht mehr machen als die Finger ein wenig darübergleiten zu lassen, denn die Sachen hingen so dicht, dass man sie kaum hin und her schieben konnte.
    »Wir haben leider ein Platzproblem«, sagte Frau Göbel bedauernd. »Man bekommt viel gestiftet, aber es wird längst nicht so viel verkauft.«
    »Dabei sind die Preise sensationell«, sagte die Schwangere. »Wo bekommt man schon ein

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