Alles auf Anfang Marie - Roman
Konstruktives gemacht hatte. Am liebsten hätte ich hier im Haus noch irgendwo losgelegt, um mich auszutoben und mein Gewissen zu beruhigen, aber gerade heute war Frau Kopp da gewesen und hatte natürlich alles tadellos hinterlassen, und zum Gardinenabnehmen fehlte mir dann doch der Antrieb.
Deprimiert ließ ich mich auf mein Sofa fallen. Konnte ja sein, dass das auch so eine wechseljahresbedingte Gefühlsschwankung war. Ob ich doch das Rezept von Dr. Göbel einlösen sollte? Aber niemand, der nicht auf Drogen war, hatte immer gute Laune. Ich hatte einen Grund für meine gedrückte Stimmung. Mir fehlte etwas in meinem Leben, aber ich wusste noch nicht genau, wo ich es suchen sollte.
Ich griff nach meinem Zettel und strich den gesamten Kreativbereich auf meiner Liste. Aber das machte mich auch nicht fröhlicher. Es war ja nicht so, als hätte ich eine wichtige Aufgabe einer To-do-Liste abgearbeitet und könnte nun stolz auf mein Werk sein. Ich hatte eher begriffen, wo ich nicht hinwollte, weil ich dafür kein Talent hatte.
Aber das Stichwort »To-do-Liste« erinnerte mich an etwas. Immerhin hatte ich weiterhin die Familie Nowakowski zu betreuen, und da war längst nicht alles abgearbeitet. Ich grübelte noch darüber, als Henning nach Hause kam.
»Du hast jede Menge Post!«, rief ich ihm zu.
Er sammelte alles vom Couchtisch. Zuerst öffnete er das flache Päckchen von Amazon. »Das ist für dich.«
Henning ist kein geiziger Mensch, aber auch nicht der Typ, der einen ohne konkrete Anlässe mit Geschenken überhäuft. Deshalb war ich etwas verwundert. »Für mich?« Ich nahm das eingeschweißte Buch entgegen, und meine Verwunderung wich. Ein Bildband über Zentralchina. Ach so.
»Damit du noch ein bisschen mehr Informationen hast«, erklärte er.
»Danke«, murmelte ich und legte das Buch erst mal zur Seite. Sicher war das sinnvoll, aber nicht jetzt. Stattdessen sah ich zu, wie er das andere Päckchen aufmachte. Das war so merkwürdig leicht gewesen, und der Absender sagte mir nichts, so dass ich schon vorher darauf viel neugieriger gewesen war.
Was er schließlich hervorholte, war blau-weiß und flutschig: ein Schalke-Trikot, nicht einfach irgendeins, sondern mit mehreren Spieler-Unterschriften versehen. Für Gonzalez, als Ersatz für die Kappe, höchstpersönlich besorgt von dem Freund aus dem Aufsichtsrat.
»Da hat er sich aber ins Zeug gelegt«, bemerkte Henning anerkennend. »Im wahrsten Sinne des Wortes. Glaubst du, das gefällt dem Burschen?«
»Gefallen? Vermutlich wird er dafür einen Schrein bauen.«
»Vermutlich wird er es eher Tag und Nacht tragen«, meinte Henning. »Und das wird auf Dauer bei dem ganzen Kunstfaserzeug nicht so erfreulich sein.«
»Mag sein«, sagte ich. »Aber man kann es ja auch schnell waschen. Ich hoffe nur, das ist farbechter Edding.«
»Sonst muss man es ab und zu heimlich nachmalen«,sagte er und sah verzückt das Trikot an. Vermutlich war er selbst ganz stolz auf seine Idee.
»Das darf Gonzalez aber nicht merken«, sagte ich. »Danke, dass du das gemacht hast.«
»Ich wünschte, ich könnte sein Gesicht sehen, wenn du es ihm gibst.«
»Du kannst gern morgen früh mitkommen«, bot ich an.
»Keine Chance.« Er schüttelte den Kopf. »Ich habe ab acht Uhr Termine.«
13
Auch ich war ganz gespannt darauf, Gonzalez sein Trikot zu geben. Aber am nächsten Morgen war er mir leider schon entwischt, als ich kam, und wie gehabt stapelte sich ungespültes Geschirr zwischen dem üblichen Chaos in der Wohnung. Ich konnte kein bisschen Verbesserung erkennen, und das machte mich ärgerlich.
»Nicole, wir müssen uns unterhalten«, sagte ich und setzte mich ihr gegenüber.
Sie schien zu ahnen, dass ich mahnende Worte plante, und zeigte wenig Lust, den Fernseher auszuschalten und mit mir zu reden. Noch weniger, als ich meinen Zettel aus der Tasche zog. Aber ich war inzwischen auch selbstbewusster, was meinen Auftritt in dieser Wohnung anging.
»Nun machen Sie mal die Glotze aus«, befahl ich.
Widerwillig tat sie es. »Wenn es um die Spülerei geht«, sagte sie, »da sehn Sie ja, was dabei rauskommt. Die hauen einfach ab und machen nix.«
»Nicole, Sie müssen konsequenter mit den Kindern sein«, sagte ich.
Sie schüttelte energisch den Kopf. »Kommt gar nicht in Frage«, sagte sie. »Wissen Sie, ich hab früher immer Dresche gekriegt von meiner Mutter, egal wie ich mich bemüht hab. Und das eine hab ich mir vorgenommen: Meine Kinder werden nicht gehauen.«
»Das ist auch
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