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Alles auf Anfang Marie - Roman

Alles auf Anfang Marie - Roman

Titel: Alles auf Anfang Marie - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Schroeder
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der Regalbefestigungen und musste nunversuchen, den Faden vorsichtig wieder zu lösen, ohne die Jacke zu beschädigen.
    Währenddessen wurde der Lottoscheinbesitzer abgefertigt, und der nächste Kunde war dran, ein kleiner, kräftiger Mann mit einer Baseball-Kappe, einer verspiegelten Sonnenbrille und einem sehr merkwürdig aussehenden Schnurrbart.
    »Was darf’s sein?«, fragte ihn die Kioskfrau mit einer Stimme, die von jahrzehntelangem Rauchen geprägt war.
    Der Mann hob eine Art Socke. »Die Kasse«, sagte er. »Los, das Geld her.«
    »Was meinten Sie?« Die Frau war völlig arglos. Vermutlich war sie auch ein wenig schwerhörig. Deshalb hatte sie sich bis jetzt nicht erschrocken, im Gegensatz zu mir.
    Der Mann fummelte nervös an seiner Socke. »Das Geld aus der Kasse!«
    Das schien die Frau nicht zu erschüttern. »Ich hab kein Geld in der Kasse!«, erklärte sie unbeeindruckt. »Doch nicht so früh am Tag!«
    »Kein Geld?«, schnappte der Mann und drückte hastig an seinem Schnurrbart herum, bevor er wieder hektisch mit der Socke wedelte. Ich befürchtete, dass da eine Waffe drin war, aber genau erkennen konnte man es nicht. »Wieso haben Sie kein Geld in der Kasse?«
    »Es ist noch zu früh!«, wiederholte sie achselzuckend. »Montagmorgen gibt’s noch keine Umsätze! Was haben Sie erwartet?«
    Ich drückte mich etwas tiefer hinter das Regal, in der Hoffnung, dass er mich nicht registriert hatte und deshalb nicht auf mich schießen würde, wenn er endlich seine Waffe ausgepackt hatte. Aber so weit war er immer noch nicht.
    »Kein Geld?«, wiederholte der ziemlich inkompetenteRäuber fassungslos und sah sich nervös um. Er erinnerte mich eher an einen Papagei als an einen Verbrecher. »Was ist denn das für ein Scheißkack?«
    Jetzt schien der ältere Mann hinter ihm ungeduldig zu werden. »Kommen Sie, hier haben Sie fünf Euro«, sagte er zu ihm. »Nun hauen Sie schon ab.«
    »Aber   …«, stammelte der Räuber fassungslos. »Wieso gibt’s denn nicht   …«
    »Nun machen Sie schon!«, sagte der Kunde und hielt ihm den Schein hin. »Ich hab nicht ewig Zeit.«
    »Scheißkack!«, wiederholte der Papagei/Verbrecher empört, riss dem anderen den Fünf-Euro-Schein aus der Hand und stürzte aus dem Laden, dass die Türklingel nur so schepperte.
    Die Frau hinter der Kasse und der ältere Mann sahen ihm hinterher, während ich mich bemühte, meinen Puls wieder unter zweihundert zu bringen. »War das jetzt ein Überfall?«, japste ich und kroch zitternd hinter dem Zeitschriftenregal hervor.
    »Nicht so wirklich«, meinte die Frau und griff zum Telefon, um die Polizei anzurufen. »Neulich, als die zwei Burschen mit der Kette kamen, das war gefährlicher.«
    Während sie mit der Polizei verhandelte, verkaufte sie dem Mann ein Päckchen Zigarillos. »Ich dachte, der schießt jetzt auf Sie«, sagte ich.
    »Womit denn?«, meinte der Mann.
    »Na, hatte der nicht eine Waffe in der Socke?«
    »Wie, das war gar kein Geldbeutel?«, fragte der Mann erschrocken. »Ich hab meine Brille nicht auf.«
    Die Kioskfrau war sich da auch nicht so sicher. »Ich hab keine Waffe gesehen«, sagte sie.
    »Gesehen hab ich sie auch nicht«, musste ich zugeben, weshalb die beiden Polizistinnen, die kurze Zeit später erschienen, um die Sache aufzunehmen, auch recht gelassenblieben. Bis dahin hatte mir die Kioskfrau ihre letzten vier Schultüten vorgeführt und mir nahegelegt, die grüne zu kaufen, weil die am besten zu einem lila Ranzen passen würde. Geschäftstüchtig empfahl sie mir: »Wenn Sie wollen, können Sie ja noch diese lila Transparentfolie drumwickeln. Das sieht sicher auch gut aus.«
    Ich stand noch unter Schock, was erklärt, warum ich nicht nur die Schultüte selbst, sondern auch die Folie zu einem völlig überhöhten Preis erwarb und mir überdies noch einige Süßigkeiten für den Inhalt aufschwatzen ließ. Nachdem die Polizistinnen unsere Personalien aufgenommen hatten und mein Adrenalinspiegel wieder gesunken war, fuhr ich endlich zum Hammerweg, wo ich für meine Verhältnisse ungewöhnlich spät ankam.
    Draußen begegnete ich Gonzalez und Nuala, die mit einigen anderen Kindern damit beschäftigt waren, die großen Müllcontainer vor dem leer stehenden Haus mit Straßenmalkreide anzumalen. Das an sich war ja nichts Verwerfliches, beim nächsten Regen würde das sowieso abgewaschen, allerdings schienen mir einige der Motive doch etwas frühreif. Aber vielleicht hatten sie das auch aus dem Aufklärungsbuch für die dritte

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