Alles auf Anfang Marie - Roman
immer noch gut im Rennen. Das Bügeln würde ich locker schaffen, und wegen des Schusters musste ich ja sowieso noch mal los.
Henning nahm das nicht so gelassen. Vermutlich war er schon genervt genug wegen der Terminverschiebung, die sein Wochenende spürbar verkürzte. Nun ärgerte er sich auch noch über die Waschmaschinenreparatur. »Da kannst du mal sehen, Marie, das alles nur, weil du dir diese Hilfsaktion in den Kopf gesetzt hast. Konntest du das nicht den Profis überlassen?«
»Konnte ich nicht«, fauchte ich zurück. »Und das weißt du auch. Da kommt einmal in der Woche eine Frau vom Sozialamt, das reicht nicht.«
»Kannst du das denn beurteilen?«, fragte er gereizt. »Schließlich hat jeder seine eigenen Vorstellungen vom Leben, und vielleicht sind deine etwas anders als die von dieser Frau.«
»Bestimmte Dinge müssen aber sein«, gab ich zurück. »Zum Beispiel saubere Klamotten. Die können ihre Waschmaschine schon seit Wochen nicht benutzen, das ist doch kein Zustand.«
»Und du kannst unsere Waschmaschine auch nicht mehr benutzen, ist das besser?«
»Aber die wird repariert. Bruno hat das Teil bestimmt schon bestellt.«
»Und wer zahlt die Reparatur? Das Sozialamt?«
»Du meine Güte, Henning«, rief ich entnervt. »Wir werden wohl noch über diese Reparatur kommen, ohne dass wir hungern müssen.«
»Darum geht es nicht«, sagte er verbissen. »Ich mache mir nur meine Gedanken, ob das richtig ist, was du tust, Marie. Du hast keine Erfahrung mit solchen Dingen, aber trotzdem engagierst du dich da in einer Intensität, die auch ihren Preis hat.«
Ich merkte, wir sollten das Gespräch hier besser abbrechen, aber das gelang uns beiden nicht. »Was meinst du damit?«, fragte ich hitzig. »Musstest du bisher auf irgendwas verzichten? Du wirst schon rechtzeitig deine Hemden kriegen, mach dir keine Sorgen.«
»Darum möchte ich aber auch gebeten haben«, sagte er in einem Tonfall, der mich zur Weißglut brachte. Wer war ich denn – seine Magd? Hatten wir einen einklagbaren Vertrag, bei dem ich Ausfallkosten zu tragen hätte, wenn ich eine Leistung nicht fristgerecht erbrachte? So oder so ähnlich klang jedenfalls meine Replik, die – ohne dass ich hier alles wiederholen will – in einem handfesten Streit endete, mit Türenknallen und allem, was dazugehört.
Ich war noch völlig außer mir, als ich mit Lotta telefonierte. »Was ist denn los, Mama?«, fragte sie.
Ich hatte keine Lust, ihr davon zu erzählen, deshalb schob ich alles auf den Waschmaschinenfrust. »Michnervt das einfach, dass ich jetzt meine Wäsche bei Astrid waschen und ihr damit lästig fallen muss.«
»Ach Mama«, sagte sie wohlwollend. »Das ist doch nicht so schlimm. Am besten setzt du dich gleich mit Papa auf die Terrasse, und ihr trinkt ein Glas Wein zusammen.«
Gerade das würde ich nicht tun. Henning stand bestimmt auch nicht der Sinn danach. Er rannte jedenfalls mit finsterer Miene durch die Gegend und sprach nur das Nötigste.
Ich hatte keine Veranlassung, als Erste einzulenken. Stattdessen behauptete ich, ich hätte Kopfschmerzen, und schlief im Gästezimmer. Am nächsten Tag holte ich heldenhaft seine Schuhe vom Schuster und bügelte nicht nur seine Hemden, sondern alles, was irgendwie zu bügeln war, damit er auch mitbekam, dass ich meine Arbeit tat. Er war nicht der Einzige, der am Wochenende arbeiten musste!
Immerhin stritten wir uns an diesem Wochenende nicht mehr. Wäre auch schwierig gewesen, weil wir ja nicht miteinander sprachen. Am Sonntagmittag nahm er seinen perfekt gepackten Koffer mit seinen perfekt gebügelten Hemden und teilte mir knapp mit, dass er vermutlich am Donnerstag wieder da sei.
»Und tu mir einen Gefallen, Marie«, sagte er. »Beschäftige dich endlich mal mit dem Thema China. Das hat nicht ewig Zeit.«
»Das tue ich schon«, behauptete ich.
»Davon merke ich aber nichts«, sagte er.
»Woher willst du das wissen?«
»Zumindest das Buch von mir liegt noch original eingeschweißt da«, versetzte er.
Mist. Jetzt war er tatsächlich gegangen und hatte das letzte Wort behalten.
Bei unserem Gespräch am Sonntagabend hatte mir Lotta geraten, mir erst mal ein paar ruhige Tage zu machen, wenn Henning nicht da war. »Du machst einen gestressten Eindruck«, waren ihre Worte.
Vermutlich mögen Kinder so was nicht. Ihre Eltern sollen so sein wie immer. Und mich kannten sie in erster Linie als die Hilfsbereite, die immer ein offenes Ohr und in den meisten Fällen eine Lösung parat
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