Alles auf Anfang Marie - Roman
hatte. Aber jetzt konnte ich selber mal jemanden gebrauchen, der mir zeigte, wie ich die Familie Nowakowski in den Griff und das Thema China aus dem Weg kriegte. Alle To-do-Listen der Welt halfen mir da nicht weiter.
14
Statt ein paar ruhiger Tage ereilte mich am Montagmorgen direkt der nächste Frustmoment. Mir war endlich wieder eingefallen, dass ich ja bei Nicoles Gynäkologen anrufen wollte, um einen Termin zu machen.
»Frau Nowakowski?«, fragte mich die Sprechstundenhilfe am Telefon ratlos. »War die in diesem Quartal schon bei uns?«
»Das müsste sie eigentlich. Sie ist schwanger.«
»Hm.« Ich hörte die Frau mit ihrer Kollegin tuscheln, dann war sie wieder am Hörer. »Nicole Nowakowski? Hammerweg 35?«
»Genau.«
»Ja, da haben wir eine Karte«, sagte sie. »Aber die war schon länger nicht mehr da.«
»Sind Sie sicher? Die müsste doch zur Vorsorge kommen.«
»Nicht bei uns«, teilte sie mir mit. Das machte mich ratlos. Wer hatte denn dann die Anweisung erteilt, dass sie liegen musste?
»Egal«, entschied ich, »geben Sie mir trotzdem einen Termin.«
»Mal sehen… Wievielte Woche?«
»Möglichst diese noch«, sagte ich.
»Nein! Schwangerschaftswoche!«, belehrte sie mich. »Wegen Ultraschall.«
»Keine Ahnung«, erwiderte ich. Langsam merkte ich, wie ich immer ärgerlicher wurde. »Planen Sie auf jeden Fall mal einen ein. Sie sagt, sie hat vorzeitige Wehen.«
»Ouh, ouh«, sagte sie. Was mich an Bruno und meine Waschmaschine erinnerte und meine Laune nicht verbesserte.
»Also ich könnte Sie am Mittwoch um zehn nach elf dazwischennehmen«, beschied sie mir jetzt. »Bitte Kärtchen nicht vergessen. Und natürlich den Mutterpass.«
Ouh, ouh, dachte ich. Ob wir den rechtzeitig finden würden, wenn Nicole schon so lange nicht mehr beim Arzt war? Überhaupt, woher wusste sie das mit dem Liegen? Hatte sie sich das selbst ausgedacht? War sie am Ende gar nicht schwanger, sondern hatte einfach nur zugenommen?
»Zehn nach elf am Mittwoch«, bestätigte ich mit wenig Begeisterung. Wenn in einer gynäkologischen Praxis im Zehnminutentakt Patientinnen bestellt wurden, dann konnte man sich ausrechnen, dass zwischen acht und elf schon jede Menge Verspätung aufgelaufen war. Ich sollte mir auf jeden Fall was zu lesen mitnehmen. Am besten auch einen Picknickkorb. Vielleicht auch einen Schlafsack. Wer wusste, wann wir da wieder rauskommen würden!
Ich beschloss, nicht sofort in den Hammerweg zu fahren, sondern noch einige Besorgungen zu machen, um etwas Distanz zwischen Nicole und meine schlechte Laune zu bringen. Eine Schultüte zu kaufen würde mich sicher aufheitern.
Hatte ich gedacht. Womit ich nicht gerechnet hatte war, dass der Markt für Schultüten bereits ziemlich leergefegt war. In dem von mir normalerweise frequentierten Spielwarenladen konnten sie mir nur noch eine minikleine anbieten (»für jüngere Geschwister wird die gerngenommen«) oder eine mit rosa Glitzer und Prinzessinnen drauf. Das ging natürlich gar nicht. Seufzend machte ich mich auf den Weg zur Konkurrenz.
Dort war die Lage nicht besser. »Lila Ranzen mit Raketen?«, fragte die Frau. »Ich kenne das Dekor. War sehr beliebt dieses Jahr. Ich glaube nicht, dass wir dazu noch was Passendes finden.«
Ähnlich trostlos ging es in dem von ihr empfohlenen Lederwarengeschäft zu, das meine letzte Hoffnung war, bevor ich nach Bredenscheid fahren müsste. Die hatten keine einzige Schultüte mehr, nannten mir aber einen Kiosk in Möllenbeck, wo es angeblich noch welche gab.
»Und Sie können mir keine mehr bestellen?«, fragte ich. Die Hoffnung stirbt zuletzt. »Es ist doch noch eine Woche hin.«
Die Frau sah mich an, als hätte ich ihr einen unsittlichen Antrag gemacht. »Oh nein!«, teilte sie mir mit. »Dieses Jahr ist doch längst abgehakt!«
Na gut. Dann musste ich es halt bei dem Kiosk in Möllenbeck versuchen. Vielleicht war da die Nachfrage nicht so groß.
Immerhin erspähte ich eine grüne Schultüte, als ich den Laden betrat. Um sie näher zu betrachten, musste ich hinter das Zeitschriftenregal gehen, das den Weg zur Kasse auf der einen Seite flankierte. Die Kioskbetreiberin, eine resolute Dame vorgerückten Alters, war noch in ziemlicher Lautstärke damit beschäftigt, einen Lottoschein abzurechnen, und zwei weitere Kunden warteten dahinter.
Leider kam ich an die Schultüten nicht dran, um zu sehen, ob in der grünen vielleicht noch eine lilafarbene steckte. Stattdessen verhakte ich mich mit meiner Strickjacke in einer
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