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Alles auf Anfang: Roman (German Edition)

Alles auf Anfang: Roman (German Edition)

Titel: Alles auf Anfang: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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trinkt Wasser.
    Muss das alles so sein? Diese beschissene Wohnung? Dieser verfluchte Kater? Er hat doch mehr drauf als Kohle schippen. Eine schöne Wohnung oder besser noch, ein Haus. Ja, das wäre was. Doch er hat die Kurve zu Höherem noch nicht gekriegt. Heute Morgen wird ihm das mit düsterer Selbsteinschätzung so was von klar. Er lässt den Sonntag Revue passieren. Ein schlimmer Tag, ein ganz schlimmer Tag:
    Lottes Geburtstag endete gegen sechs Uhr Sonntagmorgen und alle schliefen, verteilt in der Wohnung, Oma Käthe mit Lotte im Wohnzimmer auf der Klappcouch, Otto mit Gina im Willeschen Ehebett, Piefke im Schlafsack in der Küche, zugedeckt mit der Bergborn-Flagge und Frank in Ottilies Bett.
    Gegen zehn Uhr kriechen alle aus den Federn, alles Grau, alles schräg, alles Mist! Der Wasserkessel pfeift. Lieber Himmel, stell doch mal einer dieses quietschende Etwas aus! Da fallen einem ja die Ohren ab!
    Lotte steht mit verquollenen Augen am Herd und ist mit einer Hühnersuppe zugange, Oma Käthe assistiert, setzt Kaffee auf. Gina streitet sich im Schlafzimmer mit ihrem Mann, da geht es hoch her, wie man sogar bei geschlossener Küchentür hört.
    Irgendwann heute früh legte Oma Käthe Kohlen auf das Feuer. Sie unterstellte Regina, ihren Otto betrogen zu haben – immerhin hatte der eifersüchtige Otto ihr das so vorgeweint und auf diesen Annahmezug sprang Oma Käthe nur zu gerne - und dann ging es richtig rund. Gina kriegte sich nicht mehr ein. Sie verglich den Geisteszustand ihrer Schwiegermutter mit deren Erhebung des Buckels, was zu einem wilden Gebrülle führte, in deren Verlauf beide Frauen in Tränen ausbrachen.
    Eine typische Familienfeier also.
    Und jetzt am Tage geht es übergangslos weiter. Jeder hört weg, ignoriert, was aus dem Schlafzimmer tönt, Ginas schrille Stimme, Ottos weinerliche Versicherungen, denn keiner hat im Moment Lust auf Konfrontation. Jeder hat genug mit seinem Brummschädel zu tun. Mineralwasser wird rumgereicht. Das ist wichtiger, weil‘s gut tut.
    Gott sei Dank ist Thomas beim Kindergottesdienst und kriegt dieses Trauerspiel nicht mit, denkt Frank.
    Und wie es hier stinkt, oh Mann! Der Pinkeleimer ist halb voll – später war jeder zu betrunken gewesen, um die drei Stockwerke zur Toilette runterzuklettern oder hatte einfach keine Lust dazu - jedenfalls hatte irgendwer vergessen, den Drehdeckel wieder drauf zu schrauben. Na Mahlzeit, ein Grund mehr, aus dieser Bruchbude wegzuziehen. Keine Toiletten, wo gibt’s denn so etwas heutzutage noch? Es stinkt nach kalten Zigarettenkippen, Bierringe kleben auf dem Wohnzimmertisch, offene Schnapsflaschen stehen rum wie Mahnmale einer Sündennacht.
    Fenster auf, tief Luft holen. Draußen ist es grau, kühl, aber trocken. Auch das tut gut.
    Piefke schleppt den Eimer runter. Freiwillig. Da staune mal einer.
    Frank hustet sich die Seele aus dem Leib, was Lotte mit einem strafenden Blick quittiert. Wie üblich bei solchen Gelegenheiten hat er die Zigaretten gefressen . Na ja, diesmal hat sie ja ganz schön mitgepafft und mitgezecht, also wird ihre Schelte verhalten ausfallen. Wäre da nicht die Sache mit den Flaggen! Darüber wird man noch ein paar Worte reden müssen.
    Thomas kehrt vom Kindergottesdienst zurück, gut gelaunt und putzmunter.
    Mittags kratzen alle lustlos im Suppenteller, Oma Käthe macht noch ein paar Bemerkungen, die sie sich auch sparen könnte, was sogar für Frank zu viel ist. Er überlegt, ob er Muttel gegenüber unnachgiebiger sein sollte, ob er sie durch seine Toleranz nicht eher bekräftigt. So ruft er Muttel zur Ordnung, was zu allseitig peinlichem Schweigen führt.
    Lotte zaubert ein paar leckere Schnitzel auf die Teller, Gina und Otto haben sich eingekriegt und Ottos Kopf versucht mehrfach, Gina zu küssen, was seine hühnerartige Hagerkeit pointiert; Piefke wirkt leidlich munter und schwatzt Belangloses, und Frank hofft, dass bald alle verschwinden, denn er ist fertig wie nach einer Doppelschicht.
    Eine Stunde später, Thomas ist im Kinderzimmer, setzt es was. Lotte ist stinksauer. Wie hat Frank nur so unvernünftig sein können, einen Diebstahl zu begehen und so weiter. Und dann noch vor den Augen von Thomas. Was soll der Junge jetzt über seinen Vater denken? Lotte hat recht, weiß Frank und leistet Abbitte, schwört, die Verantwortung zu übernehmen. Sie erkennen, dass sie für eine Lösung des Problems zu müde sind, dass jetzt alles nur in einem sinnlosen Streit enden wird, und vertagen das Thema.
    Schweigend

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