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Alles auf Anfang: Roman (German Edition)

Alles auf Anfang: Roman (German Edition)

Titel: Alles auf Anfang: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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Klassenlehrer. Er wird nicht weinen, nein, auf keinen Fall, aber ihm ist danach. Noch immer hält er das Matheheft an sich gedrückt. Herr Schönfeld fordert es, blättert darin herum.
    Herr Schönfeld ist ihm auf die Schliche gekommen. Als Deutschlehrer erkennt er augenblicklich den Unterschied zwischen der Schrift eines Erwachsenen und eines Elfjährigen. »Ist das dein Ernst? Glaubst du wirklich, Herr Mencke ist ein Idiot?«
    Tom schweigt und beißt die Zähne zusammen. Bisher ist Mencke nichts aufgefallen. Warum sollte das in Zukunft so sein. Er beschließt, dieses Wissen für sich zu behalten.
    »Na ja ...«, sagt Herr Schönfeld und blättert die Klassenarbeiten der letzten Wochen durch. »vielleicht hast du ja recht. Wie ich sehe, hast du das schon zweimal gemacht und er hat es nicht gemerkt. Unglaublich aber wahr. Da hast du mehr Glück als Verstand gehabt. Und jetzt guck mich an.« Er wirft das Matheheft auf das Pult. »Ich könnte dafür sorgen, dass du von der Schule fliegst. Weißt du das?«
    Tom nickt.
    »Kennst du die Schülerin, mit der ich gesprochen habe?«
    Tom schüttelt den Kopf.
    »Sie ist ein ungehorsames Mädchen.«
    Und nach einer kleinen Pause, in der die Luft im Klassenzimmer immer dicker wird: »Genauso, wie du ein ungehorsamer Junge bist.« Herr Schönfeld nagelt Tom mit seinen Augen fest, einer Autorität, der Tom nicht standhält. Der Junge wendet seinen Blick ab.
    »Was soll ich tun?«, sinniert Herr Schönfeld. Er hat die Fingerspitzen in die Nietenhose gesteckt und stolziert auf und ab.
    Die Schulglocke schlägt zur ersten kleinen Pause. Türen werden aufgestoßen. Schritte trappeln, klatschen, trampeln, hallen durch die Gänge.
    Herr Schönfeld hält inne. »Ich werde gar nichts tun.«
    Toms Kopf schnellt hoch. Hat er sich verhört?
    »Du hast richtig gehört. Ich werde die Sache vergessen – vorübergehend vergessen. Es kann sein, dass du mir dafür einen kleinen Gefallen schuldig bist. Ich werde es dich wissen lassen. Wäre das in deinem Sinne?«
    Oh ja, das wäre es! Oh ja! Ich tue Ihnen gerne jeden Gefallen, jeden Gefallen, den Sie wollen!, möchte Tom rufen. Stattdessen nickt er und schluckt schwer.
    »Gut, mein Junge. Dann lege das Heft zurück, schließe den Schrank und verschwinde.«
    »Danke.« murmelt Tom. »Vielen Dank, Herr Schönfeld.«
    »Lass dich nie wieder bei so etwa erwischen und denk dran ... eine Hand wäscht die andere.« Herr Schönfeld lächelt schmal. Seine Augen sind dunkel und verhangen.
    Während Tom raus auf den Schulhof stürzt, denkt er, dass es Schlimmeres gibt als eine schlechte Note in Mathematik, viel Schlimmeres und er schwört sich, so etwas nie wieder zu tun, nie wieder. Gott sei Dank ist Herr Schönfeld ein richtig feiner Kerl!
     
     
     

10
     
    Die Männer begegnen sich am Schacht.
    Oskar ist schon da und nimmt ein warmes Frühstück zu sich, wie man die letzte Zigarette vor der Einfahrt nennt. Er grinst und blinzelt. War eine tolle Party am Samstag, nicht wahr? Werner und Cemir sind da, der hübsche Hasan, Markus, den sie alle Wursti nennen, weil er einen Riesigen hat, Gregor der Russe, der aber aus Schlesien kommt, Knochen-Paul, der so hager wie ein Strohhalm ist; sie alle warten. Zwei Männer fehlen, Mahmut und Yamal. Na egal, Schotterbein wird ihrer Gruppe zwei oder drei andere Männer zuweisen.
    Sie fahren zur dritten Sohle runter. Knapp 700 Meter. Der Personenzug bringt sie zur dritten Abteilung, zum Stapelschacht, wo die Kumpel ihre Anweisungen erhalten werden.
    Schotterbein ist schon da, ist einen Korb früher eingefahren. Als wäre am Freitag nichts geschehen, sagt er, was an diesem Tag anliegt. Er würdigt weder Frank noch Cemir eines Blickes, ist auf seinen Steigerstock gestützt wie ein alternder General.
    Die Männer besprechen das Gedinge, also die heutige Förderleistung, Werner wirft Frank einen bösen Blick zu, Oskar grunzt und schiebt sich zwischen die beiden Männer. Sie ziehen ab in den Stollen, wo sie gebückt gehen müssen, rüber zu den Gezähekisten, in denen das Werkzeug lagert.
    Der Flöz ist scheißniedrig, das ist Folter, ist Knast, ist Qual für den Rücken, die Schenkel, die Gelenke. Gut, dass der Helm schützt, immer wieder prallen sie mit der Birne gegen die Firste. Ohne Schutz wären ihre Schädel Brei. Wenigstens sind die Schienen schon da für die Teckel. Das macht es leichter, den Abbau hier raus zu kriegen.
    Brüchiger Stein, von feucht schimmernden Stempeln unzureichend gestützt, an der Decke hängen

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