Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alles auf Anfang: Roman (German Edition)

Alles auf Anfang: Roman (German Edition)

Titel: Alles auf Anfang: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
Vom Netzwerk:
nächsten ist, hat schon die Hand am Schalter, als Schotterbein schreit: »Nein! Das Ding bleibt an! Das kann unsere Sülzwurst ganz alleine. Er hat den Schlauch abgerissen, er soll den Dynamo ausschalten.«
    Wursti zögert. Es geht um Sekunden. Cemir ist in Gefahr, von dem Schlauch getroffen zu werden. Alle anderen Männer befinden sich abseits und starren auf das Geschehen.
    »Beweg dich Türke und schalte das Scheißding aus!«, schreit Schotterbein.
    Cemir windet sich über das Liegende, sein breiter Körper formt ein Kohlebett, in seiner Furcht vor der entfesselnden Willkür will er sich immer tiefer eingraben, denn der Schlauch zischt gefährlich, schleudert immer näher an ihn heran.
    »Ausschalten!«, wiederholt Schotterbein. Seine Augen glühen, er grinst, als wolle er gleich anfangen zu lachen.
    Cemir kriecht weg, will zum Dynamo, sein Blick ist panisch, nach oben, unten, wo ist das Mistding?
    Frank läuft kalter Schweiß über den Rücken. Warum um alles in er Welt schaltet Wurst das Ding nicht aus? Warum bringt er seinen Kumpel in Gefahr? Sind sie alle schon so verroht, dass der Befehl dieses Schinders Gesetz ist?
    Da wird Cemir vom Pressluftschlauch getroffen. Der peitscht gegen seinen Oberarm, Cemir wird weggeschleudert, schreit vor Schmerz, windet sich am Berg und Wursti legt den Schalter um.
    Auf der Stelle ist der Lärm gestoppt, der Schlauch nichts weiteres als ein totes Stück Hartgummi. Die entweichende Luft hat so viel Staub aufgewirbelt, dass das Schmidtsche Gerät bei seinem Versuch den Staub in Eisenkübel zu saugen röhrt, als wolle es den Geist aufgeben.
    Cemir stöhnt seinen Schmerz heraus. Die Haut am Oberarm ist aufgerissen, Blut läuft ihm über den Körper. Sein Gesicht ist vor Schmerz verzerrt.
    »Holt die Bahre.« sagt Schotterbein und wischt sich Schweiß von der Stirn. »Und bringt die Memme raus zum Revierarzt.«
    Oskar taucht neben seinem Freund auf. »Diesmal hältste dich raus«, raunt der kugelrunde Mann ihm ins Ohr. »Dat gibt sonst Kamiene [5]   und du kannst dir neue Maloche suchen. Schotter is’n Arsch. Der lässt lieber dich über die Klinge springen als den Türken. Den braucht er für seinen Spaß – dich nicht, mein Junge.«
    Schotterbein merkt, dass alle Augen auf ihn gerichtet sind. Er nickt, mustert die Männer. »Weitermachen. Solche Sachen passieren. Das nennt man eine erzieherische Maßnahme. Also passt auf, hört auf zu pennen und lasst euch das eine Lehre sein.« Er dreht sich auf dem Absatz weg und stiefelt auf Frank zu.
    »In Ordnung, Wille. Ausfahren«, sagt er.
    Frank traut seinen Ohren nicht. Hat Schotterbein sie noch alle? Will er sich mit einem weiteren Mann anlegen? Frank muss an sich halten, diesen Zwerg nicht in die Erde zu rammen.
    »Du hast mich schon richtig verstanden, Wille. Ich sagte, ausfahren!«
    »He, Obersteiger«, fährt Oskar dazwischen. Wenna und die anderen glotzen dumm. Hasan hat sein Schweißhemd zerrissen und legt Cemir einen Pressverband an, während Knochen-Paul Schmerzmittel aus der Gezähekiste holt. Der Russe aus Schlesien kurbelt am Telefon und sagt den Sanis Bescheid.
    Oskar sagt: »Warum willste Frank die Schicht wechnehmen? Is nich schon genug Kacke passiert?«
    »Halt die Klappe Oskar und mach dich an die Arbeit. Ihr alle macht euch an die Arbeit.« Der Mann hat Befehlsgewalt und das macht er sehr routiniert. Man beugt sich seinen Worten, sogar Oskar beißt die Zähne aufeinander. Er hat Schulden, und wenn die ganze verfluchte Welt voller Schotterbeins wäre, den bescheidenen Luxus, den er sich und seiner Familie gestattet, muss man abzahlen.
    »Das hier wirst du dem Betriebsrat erklären müssen«, sagt Frank und weiß im selben Moment, dass er einen Fehler gemacht hat. Einen Herzschlag lang erwartet er, von Schotterbein geschlagen zu werden. Stattdessen grinst der Obersteiger. »Rüber zum Schacht. Ein bisschen dalli! Oben wartest du in der Lampenstube. Dann werden wir sehen, was ich muss.«
     
     
     

11
     
    Kein Tag ist frei von Kummer!, hatte Lottes Vater stets gesagt, und als der Wecker später als normal klingelt, als Lotte aus dem Schlaf schreckt und einen ratlosen Blick auf die Uhrzeit wirft, ahnt sie, dass dieser Tag nicht zu den erbaulichen ihres Lebens gehören würde.
    Thomas ist schnell versorgt und auf dem Weg zur Schule. Alltägliche Routine, die sie benebelt von zu viel Schlaf absolviert.
    Sie klingelt unten bei Rampfs. Niemand öffnet ihr, also stellt sie die geliehenen Stühle vor deren Tür. Umso

Weitere Kostenlose Bücher