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Alles auf Anfang: Roman (German Edition)

Alles auf Anfang: Roman (German Edition)

Titel: Alles auf Anfang: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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dieser Woche keine Samstagsschule hat, muss er heute zu der Alten, was ihm gewaltig stinkt, denn viel lieber würde er eine Geschichte, die er vor ein paar Tagen erdacht hat, in seine neue Schreibmaschine tippen. Dieser Mike Stern, beziehungsweise die Aussicht auf Veröffentlichungen, hat seinen Ehrgeiz geweckt. Obwohl seine Abneigung vor Frau Marek sich im Laufe der letzten Wochen etwas gelegt hat, findet er, dass Herr Schönfeld jemand anderes suchen sollte, um diese bescheuerten Botengänge zu absolvieren. Er hat seine Schuld abgeleistet. Das will er Herrn Schönfeld sagen, wenn nicht heute, dann demnächst.
    O Manno!, denkt er. Ich bereue, dass ich mich damals im Schrank versteckt habe. Und überhaupt habe ich seitdem nie wieder im Nachhinein an einer Klassenarbeit rumgepfuscht, sondern gepaukt und tatsächlich die eine oder andere Note etwas verbessert. Etwas ... Der Lauscher an der Wand hört sowieso nur Sachen, die ihn nix angehen, zum Beispiel das mit dem rothaarigen Mädchen, das so verzweifelt war und von Herrn Schönfeld, der so sehr geschimpft hat. Ja, das war mir eine Lehre!
    Er steht vor dem Backsteinbau, in dem sich oben die Wohnung von Herrn Schönfeld befindet und im Keller der Raum, in dem er mit seiner Musikgruppe probt, am Stadtrand von Bergborn, unweit des Bullenklosters.
    Im Gegensatz zur Bergmannsiedlung, die in einzelne Bereiche unterteilt ist und die man Siedlung Helene, die Räubersiedlung oder die Kanariensiedlung nennt - so wie auch jede Zeche einen Namen hat, ist doch klar, oder? - wo wohl ein Haus wie das andere aussieht, wohl ein Garten, wohl ein Taubenschlag wie der andere, jedoch alles von fleißigen Bergarbeiterfrauen so reinlich wie möglich gehalten wird - denn Sauberkeit ist das halbe Leben! - im Gegensatz dazu ist hier am Stadtrand von Bergborn alles noch ein Stück weit dreckiger.
    Hier wohnen jene, die sich eine Wohnung wie die der Rampfs, der Knopps, der Ronsmanns oder der Willes nicht leisten können oder wollen, weiß Tom. Man sagt, ein paar der hier ansässigen Familien seien arbeitslos. Wie ist das in einer Wirtschaftswunderzeit möglich? Kaum zu glauben – muss wohl faules Fieber sein oder so! lautet die Meinung, die Tom von den meisten Erwachsenen aufgeschnappt hat.
    Kinder mit zerschrammten Knien spielen Gummitwist, hinkeln über mit Kreide auf die Straße gemalte Quadrate, singen Kehrreime und genießen das Leben. Bei den Kindern schafft die Wohngegend keinen spürbaren Unterschied. Sie spielen. Und Spielen ist Spielen! Ist Behagen! Ist Lebenslust! Ist Optimismus! Einerlei, ob im Zentrum von Bergborn oder am Rande.
    Ein feiner Essigdunst, gemischt mit zuckerigem Fruchtaroma liegt über den Straßen, weil Gurken in Gewürze eingelegt werden. Außerdem brodeln die Einmachkessel auf den Öfen, gefüllt mir Erdbeermarmelade. Auch Tom muss andauernd in den Tante-Emma-Laden gehen und Opekta einkaufen, damit Mama Erdbeer-Rhabarber- und Johannisbeermarmelade kochen kann.
    Hin und wieder streckt eine Mutter den Kopf aus dem Fenster und ruft ihr Kind. »Reeeeeinkommen!«, echot es durch die Straßen.
    »Achtung – Auto!«, warnen Kinderstimmen und die Straße wird geräumt. Nur wenige Stinkkarren sind unterwegs, jedenfalls hier in Bergborn. Diesmal ist es ein rostiger Volkswagen Käfer, bei dem der gelbe Blinker hochfluppt, den man, weiß Tom, denn er spielt leidenschaftlich gerne Autoquartett, von innen mit einem Bindfaden zieht, was ziemlich hinderlich ist und schnell versäumt werden kann, genauso wie die frühzeitige Benzinfüllung, denn eine Tankanzeige hat diese Rostbeule auch nicht.
    Manche Frauen haben es sich auf dem Fensterbrett gemütlich gemacht, auf Kissen gestützt strecken sie den Kopf aus dem Haus und tratschen von Fenster zu Fenster miteinander oder gucken einfach nur rum, was so alles passiert.
    Zwei Jungen fahren auf ihren Rollschuhen um die Wette, Renner auf Stahlrollen, die mit einem Lederriemen unter die  Straßenschuhe gebunden auf das Pflaster knallen, bei Bremsmanövern ein kreischendes Allotria veranstalten und weiße Furchen in den Schamott fräsen, für künftige Zeiten eingravierte Straßenmalereien kindhafter Ausgelassenheit. Im Gegensatz zu den beiden Jungen kommt Tom sich schon wesentlich älter und wissender vor, denn es macht einen gewichtigen Unterschied, ob man Elf oder Dreizehn, fast Vierzehn ist.
    Aus einem Kofferradio hört man die Filmmusik von Raumschiff Orion, dann wird, als habe Tom ein unsichtbares Signal erteilt, die Garagentür in

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