Alles auf Anfang
Eine einzelne Leuchtstofflampe erhellt meine Kammer, aber nur, wenn es erforderlich ist. Ich esse im Dunkeln, ich meditiere im Dunkeln, ich verrichte meine unregelmäßigen Darmentleerungen im Dunkeln. Wenn ich am Computer arbeite, wie jetzt, liefert der Bildschirm genügend Helligkeit zum Tippen. Das Gerät frisst eine Menge Strom. Pro Tag ist nur eine einzige Betriebsstunde erlaubt, und das ist meine Lieblingsstunde. Alle anderen Stunden sind Bedienstete, schrubben und putzen als Vorbereitung auf die kommende Zeit, die sechzig Minuten blaues Licht. Ein Teil der schönen Stunde ist dem Schreiben vorbehalten, der Niederschrift der Zeilen, die bereits mit Bleistift auf Papier gekritzelt oder, was jetzt häufiger der Fall ist, in meinem Kopf verfasst wurden. Aufgrund eines Fehlers bei der Beschaffung wurde nur ein einziger Bleistift mit mir eingegraben; Anspitzen hat das gelbe Holz inzwischen auf Streichholzgröße reduziert.
Aber Not macht erfinderisch und führt zu effizienterem Vorgehen. Ich sage den Text, den ich tippen will, laut auf, achte auf die Syntax, verwahre ganze Passagen im Tresor des Gedächtnisses.
Wenn die Zeit gekommen ist, schreibe ich möglichst schnell und speichere die Seiten des Tages mit einem Tastendruck. Ein unvorhergesehener Vorteil des Krieges ist, dass mein Computer, Modell 1468, ein Spitzenprodukt, als ich ihn kaufte, ein Spitzenprodukt bleiben wird. Keine neue Technologie wird ihn verdrängen (ich sträube mich gegen das traditionelle sie , das Lieblingsdingen vorbehalten ist; die eleganten Rundungen eines Sportwagens oder Segelbootes mögen Weiblichkeit suggerieren, aber nichts am 1468). Mein Computer wird nie obsolet sein, wird nie durch eine endlose Folge hämischer Nachkommen gedemütigt werden, deren Speicherkapazität sich von Generation zu Generation verdoppelt.
Wenn das festgelegte Schreibpensum erfüllt ist (zwanzig Minuten an einem typischen Tag), beginnt der schönste Teil der schönsten Stunde, und ich lese. In der frühen Planungsphase meines Bunkers wurde mi0r klar, dass es nicht genügend Platz für meine Bücher geben würde. Meine Kammer ist extrem beengt; jeder Quadratzentimeter ist kostbar. Die Lösung lieferte der technologische Fortschritt: Inzwischen passt eine ganze Bibliothek auf eine einzige MO-Disk. Ein paar Tastendrucke, und ich bin im Bilde über die Grübeleien von Hamlet, die Listen des Odysseus, die auferstandene Beatrice. Eine ganze Zivilisation wird unter der Erde bewahrt, die bedeutendsten Gedanken der bedeutendsten Geistesgrößen konkretisiert mittels Laserstrahl.
Wozu diese längst verstorbenen Schriftsteller noch lesen? Weil nur die Toten uns retten können. Nur sie können uns lehren, wie unsere zerstörten Städte wieder aufzubauen sind. Ich bin überzeugt, dass alle unsere gefallenen Vorväter dereinst auferstehen und unsere schrumpelnden Körper in starken Händen halten werden.
Ein wesentliches Problem permanenter Abgeschiedenheit ist der Mangel an sexuellen Betätigungsfeldern. Ich erwog, eine pornografische CD für meinen Computer zu kaufen, kam jedoch zu dem Schluss, dass derlei Aktivitäten mich von meiner Mission ablenken würden. Abertausend Stunden der Einsamkeit haben mich meine Prüderie verfluchen lassen, mich dazu getrieben, fieberhaft Bilder nackter Körper heraufzubeschwören. Merkwürdigerweise stelle ich fest, dass ich mich nicht an Gesichter erinnern kann; meine imaginären Nymphen sind grob skizziert. Es gibt kaum etwas, das die Moral eines Mannes mehr untergräbt als eine missglückte Masturbation.
Aus Verzweiflung habe ich mich einer CD zugewandt, die mit meinem 1468 kam, eine Einführung in die Biologie des Menschen, die einige leidlich stimulierende Darstellungen nackter Frauen enthält. Leider sind viele dieser Damen auf der linken Seite attraktiv, auf der rechten dagegen durchsichtig, um die Funktion ihrer inneren Organe in allen Einzelheiten sichtbar zu machen, ein Anblick, der jeden außer dem perversesten Aspiranten abschrecken muss.
Doch gestern (o glücklicher Tag!) stieß ich zufällig auf den Anhang eines Anatomielehrbuchs, ein Fitnessprogramm, das
die passende Ernährung und Gymnastik für Menschen mittleren Alters auflistet, detaillierte Diagramme, begleitet von wunderbarer Prosa, darunter meine momentane Lieblingspassage:
Diese sanfte rhythmische Übung trägt dazu bei, schlaffe Pobacken zu heben und zu festigen. Die effektive Bewegung formt und strafft die Muskeln in Po und Hüfte und kräftigt
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