Alles auf eine Karte
New York versetzen ließ. Woher kennen Sie Dale?«
»Auch von der Arbeit. Dale hat jahrelang mehrere Spieler der Hawks vertreten.«
»Ah. Tja, die Welt ist klein.«
Verlegenes Schweigen. Ich hoffte inständig, dass er nicht daran dachte, was passiert war, als wir uns das letzte Mal gemeinsam auf einer Tanzfläche befanden.
»Sie sehen großartig aus, Waverly. Tolle Frisur. Gefällt mir.«
»Äh, danke.« Ich spürte, dass ich rot wurde, und starrte angestrengt auf meinen Gips.
Seine Augen folgten meinem Blick. »Was ist denn mit Ihrem Bein?«
»Oh, ist nicht weiter schlimm, der Knöchel ist gebrochen.«
»Wie ist denn das passiert?«
Ich räusperte mich und versuchte zu lächeln. »Ähm, ist Ihnen schon mal aufgefallen, wie schwierig es ist, geradeaus weiterzulaufen, wenn ein riesiger Ast quer über dem Weg liegt?«
»Oh, Mann, das tut mir echt leid für Sie. Klingt schmerzhaft.«
»Das war es auch, aber es wird schon wieder.« Ich wackelte mit den Zehen, deren rot lackierte Nägel aus dem Gips hervorlugten. »Noch drei Wochen, dann kommt der Gips ab. Nicht gerade das schickste Accessoire für eine Hochzeit, aber immer noch besser als Mundgeruch oder eine hässliche Begleitung.« Mundgeruch oder eine hässliche Begleitung? Hatte ich das tatsächlich gerade gesagt?
»Ähm, ja. Und, wie ist es Ihnen in der Zwischenzeit ergangen?«
Ich stützte mich auf die Lehne eines Stuhls, der neben mir stand. »Gut, gut. Ich war ziemlich beschäftigt, beruflich und so … Wir haben einen wichtigen neuen Kunden, Adina Energy. Sagten Sie nicht, Sie wären auch hin und wieder für diese Firma tätig?«
Er lächelte. »Ja, stimmt. Sie haben ein gutes Gedächtnis. So, so, dann hat K.A. Marketing also den Zuschlag bekommen? Das ist ja toll.«
Ich zögerte zuerst, platzte dann aber doch heraus: »Ja, und ich hatte erst gedacht, man würde mich mit der Projektleitung betrauen, aber dann hat sich ausgerechnet die Kollegin, die ich am allermeisten hasse, das Projekt unter den Nagel gerissen.«
»Oh«, sagte er. »Wie ärgerlich.«
Was ist bloß los mit mir? Letztes Mal nach der Super Show hatte ich ihm von der prekären finanziellen Lage meines Vaters vorgejammert, und jetzt das? Warum konnte ich in der Gegenwart dieses Mannes meine Probleme nicht für mich behalten?
»Ähm, und wie läuft es bei Ihnen ?«, erkundigte ich mich. »Wie immer schwer beschäftigt mit den Hawks?«
Er warf einen Blick über die Schulter. Wahrscheinlich hielt er nach seiner Freundin Ausschau. »Ja, zurzeit läuft es großartig, wir haben eine richtig gute Spielsaison, wovon ich natürlich profitiere. Wenn das Team erfolgreich ist, dann färbt das ja auch auf die Betreuer ab.« Er kratzte sich an der Augenbraue. »Übrigens, kann es sein, dass ich Sie kürzlich auf dem Spiel gegen die Warriors in Oakland gesehen habe?« Er legte den Kopf schief und lächelte, und ich umklammerte die Stuhllehne noch fester.
»Äh, in Oakland? Nein, das glaube ich kaum.«
Sein Lächeln erstarb. »Wirklich nicht? Ich hätte schwören können, dass ich Sie gesehen habe.«
Ich wandte den Kopf zur Seite, um seinem Blick auszuweichen. Wäre ich Pinocchio gewesen, dann hätte ich ihm dabei mit der Nase das Glas aus der Hand gefegt. »Ach, warten Sie, ich war tatsächlich neulich mit ein paar Klienten bei einem Basketballspiel, nicht ganz freiwillig. Sie wissen schon, einer dieser langweiligen Geschäftstermine.«
Er antwortete nicht, und ich sah nervös hierhin und dorthin, um ihm nicht in die Augen sehen zu müssen. Warum verhielt ich mich bloß so abweisend?
»Aha«, sagte er schließlich.
Ich wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis er wieder zu seiner Freundin zurückkehren würde, also beschloss ich, die Angelegenheit abzukürzen und die Reißleine zu ziehen, bevor er es tat.
Ich setzte ein künstliches Lächeln auf und streckte ihm die Hand hin. »Tja, Jake, es war schön, Sie wiederzusehen, aber Ihre Begleiterin fragt sich bestimmt schon, wo Sie abgeblieben sind, also will ich Sie nicht weiter aufhalten. Ich wünsche Ihnen einen amüsanten Abend.«
»Ähm, ja, hat mich auch gefreut, Waverly.«
Er schüttelte mir die Hand, wobei er sie eine Sekunde länger als nötig festzuhalten schien, dann drehte er sich um und ging.
Ich sank auf meinen Stuhl und fühlte mich einsamer denn je.
Dann ergriff ich mein Weinglas und betrachtete es. »Mister Merlot, wie es aussieht, sind Sie heute Abend wohl der einzige Freund, den ich habe.« Ich wandte mich um und
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