Alles auf eine Karte
immer wieder. »Weißt du eigentlich, wie viele Männer ich kenne, die viel Geld dafür hinblättern würden, mit Shane Kennedy ein Bier trinken gehen zu dürfen?«
Es hatte ganz den Anschein, als gäbe es nicht das Geringste an ihm auszusetzen.
Dummerweise war ich nicht die Einzige, die so dachte.
Eines Abends, es war ein Samstag, gingen wir auf eine große Wohltätigkeitsveranstaltung im Marina District, und irgendwann streckte ich ihm, einem verhängnisvollen Impuls nachgebend, die Hand hin – wahrscheinlich, um vor allen zu demonstrieren, dass wir zwei gerade dabei waren, die Singlequote im Großraum von San Francisco zu senken –, doch er ergriff sie nicht. Ich musterte ihn verdattert, aber er reagierte noch immer nicht.
Es folgte eine Typisch-Bryson-Situation wie aus dem Bilderbuch.
Erst lächelte ich ihn kokett an und sagte: »Hey, du, willst du nicht mit mir Händchen halten?«
Er schüttelte den Kopf.
Ich legte den Kopf schief und lächelte erneut. »Wirklich nicht?«
Wieder schüttelte er den Kopf.
Da verging mir das Lächeln allmählich. »Warum nicht?«, fragte ich.
Keine Antwort.
»Reid, würdest du mir bitte sagen, warum du nicht meine Hand halten willst?«, fragte ich. Wie eine Labormaus, die immer wieder versucht, an den Käse zu kommen, obwohl sie sich dabei schon mehrere Elektroschocks eingefangen hat.
Endlich sah er mir in die Augen und sagte: »Weil sich auf dieser Party außer dir noch drei weitere Frauen befinden, mit denen ich ausgehe.«
»Oh.«
Es dürfte wohl niemanden überraschen, dass ich nie wieder von ihm gehört habe.
Aber ich bin sicher, unsere Wege kreuzen sich eines Tages im Marina Safeway.
*
Ich war also viel unterwegs und hielt die Augen offen, doch das Einzige, was dabei herauskam, waren immer neue Typisch-Bryson-Situationen. Und Material für meine Süße-Grüße-Serie.
Vorderseite: Ich hätte da mal eine Frage, was Männer in gelben Muskelshirts angeht …
Innenseite: Süße, was zum Geier DENKEN sich diese Typen dabei?
Vorderseite: Du möchtest sicherstellen, dass du nicht gleich nach dem ersten Date mit ihm im Bett landest?
Innenseite: Rasier dir einfach nicht die Beine, Süße. Und wenn dir das nicht reicht, zieh deine ausgebeulteste Oma-Unterhose an.
Vorderseite: Sein Hintern ist kleiner als deiner?
Innenseite: Süße, nimm die Beine in die Hand, und zwar schnell. Es ist die Demütigung nicht wert, und außerdem lass uns realistisch bleiben: deiner wird garantiert eher größer als kleiner.
Vorderseite: Du willst wissen, wie lange du warten sollst, bis du mit dem schnuckeligen Typen ins Bett gehst, den du neulich kennengelernt hast?
Innenseite: Süße, wenn er so schnuckelig ist, warum verschwendest du deine Zeit dann mit dämlichen Fragen?
Vorderseite: Bei dir jagt ein katastrophales Date das nächste?
Innenseite: Sieh es positiv, Süße: Wenigstens kommst du unter Leute. Das ist doch immer noch besser, als zu Hause vor lauter Langeweile deinen Backofen zu putzen, den du ohnehin nie benutzt, stimmt’s?
Vorderseite: Ein Mann, den du wirklich mochtest, hat sich als Schürzenjäger entpuppt?
Innenseite: Kopf hoch, Süße, spätestens in zehn Jahren rächt sich sein Verhalten. Nichts wirkt abschreckender auf Frauen als ein abgetakelter Casanova.
Du bist mal wieder ins Fettnäpfchen getreten?
Halb so wild, Süße, diese Art von Fett setzt wenigstens nicht an.
KAPITEL 15
Manchmal tarnt sich der Mai in San Francisco ziemlich überzeugend als Oktober, und dieses Jahr tarnte sich der April ziemlich überzeugend als Mai, der sich als Oktober tarnt. Tagsüber herrschten zwar ungewöhnlich warme, milde Temperaturen, und es war jeden Tag ein bisschen länger hell, aber die Nächte waren nach wie vor so frostig wie ein Eis am Stiel.
An einem Mittwochvormittag rief mich unerwartet Scotty Ryan an.
Ich nahm lächelnd ab. »Hey, Scotty, was für eine schöne Überraschung. Wie geht es dir?«
»Bestens, Herzchen. Ich kann mich wirklich nicht beklagen.«
»Was hast du seit Cynthias Hochzeit so getrieben? Bist du noch mit diesem Tad zusammen?«
»Ja, bin ich. Kaum zu glauben, oder? Drei Monate geht das jetzt schon so, und es ist kein Ende in Sicht. Ich weiß nicht, vielleicht werde ich auf meine alten Tage ja zum Softie, aber ich glaube, ich bin verliebt«, berichtete er.
Mit der freien Hand warf ich meinen Antistressball in die Luft und fing ihn wieder auf. »Wow, nach dieser Aussage kann mich wirklich nichts mehr erschüttern. Welchem Umstand
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