Alles aus Liebe: Roman (German Edition)
Erinnerung zu verwechseln. Ellen drückte eine Fingerspitze an die Nasenwurzel. »Ich glaube, ich kriege Kopfweh. Warum rufst du eigentlich an?«
»Nun, ich wollte dich fragen, ob wir unseren Lunch am Wochenende verschieben könnten. David und ich sind übers Wochenende auf die Whitsundays eingeladen worden, auf eine Jacht, eine Zwanzigmeterjacht, stell dir vor! Freunde von ihm aus England sind zu Besuch in Australien. Bankiers, habe ich gehört. Schwerreich. Scheint, als könnte die Finanzkrise ihnen nicht das Geringste anhaben.«
Ungetrübtes Vergnügen schwang in der kühlen, sachlich knappen Stimme ihrer Mutter mit. Konnte es sein, dass Anne schon immer für ein solches Leben bestimmt gewesen war – auf einer eleganten Jacht Champagner trinken, mit Bankiers plaudern? Als Nächstes würde sie zum Shoppen nach Paris fliegen.
»David wollte unsere Verabredung zum Lunch nicht verschieben, aber ich habe ihm gesagt, es würde dir bestimmt nichts ausmachen. Ich habe ihm natürlich verschwiegen, dass dir ohnehin nicht sonderlich viel an diesem Treffen liegt.«
»Ist schon in Ordnung«, murmelte Ellen, aber sie war gekränkt.
Ihr Vater hatte ein besseres Angebot bekommen. Na klar, schließlich konnte er seine unbekannte Tochter auch an irgendeinem x-beliebigen anderen Tag treffen. Und sie hatte jetzt keine Ausrede mehr, sich vor der Fahrt in die Berge zu Colleens Eltern zu drücken. Einfach großartig.
»Bist du sicher?«, fragte ihre Mutter. »Du klingst verärgert. Du bist doch nicht sauer, oder? Weißt du, ich war diejenige, die ihm zuredete, die Einladung anzunehmen. Ich weiß, das ist furchtbar oberflächlich, aber ich muss zugeben, es klang so herrlich … dekadent. Das ist, glaube ich, das richtige Wort.«
Sie klang verletzlich, aufrichtig, und sogar ein wenig verlegen war sie. Anne war nie verlegen. Ellen wurde warm ums Herz. Sieatmete tief durch. Du meine Güte! Ihre Gefühle schlingerten hin und her wie ein Boot auf stürmischer See.
»Ist schon gut. Wirklich. Das trifft sich sogar ganz ausgezeichnet. Patrick hatte Sonntag nämlich etwas anderes mit mir vor.«
»Wunderbar!«, sagte ihre Mutter. »Ach, übrigens, vielleicht interessiert es dich, ich habe gleich drei Patientinnen, die mir berichtet haben, sie hätten mithilfe von Hypnose innerhalb einer Woche abgenommen.«
»Was du nicht sagst«, bemerkte Ellen gleichgültig.
»Ja, anscheinend gehen sie zu diesen Hypno-Partys. Die sind in Sydney zurzeit schwer in Mode. Das ist so wie diese Tupperpartys, aber anstatt Plastikbehälter herumzureichen, wird man hypnotisiert. Und anschließend schlürfen sie vermutlich Champagner und knabbern rohe Karotten dazu. Gut betuchte Damen eines gewissen Alters sind ganz verrückt auf diese Partys.«
»Na so was«, murmelte Ellen. Wie schön für Danny.
Ein seltsam bedrückendes Gefühl beschlich Ellen. Was hatte es für einen Sinn, eine Standardausbildung zur Hypnotherapeutin zu durchlaufen und eine normale Praxis zu führen, wenn junge dynamische Typen wie Danny die Branche derart aufmischten?
»Okay, ich muss los«, sagte ihre Mutter. »Wir wollen ins Theater.«
»In Ordnung. Grüß Pip und Mel von mir.«
»Ich gehe mit David, weißt du.«
»Oh«, machte Ellen. »Und Pip und Mel? Was haben die vor?«
»Keine Ahnung. David und ich wollen uns das neue Stück von David Williamson ansehen. Heute ist Premiere. Wir haben Karten für die erste Reihe.«
»Wie könnte es auch anders sein«, bemerkte Ellen.
»Wie bitte?«
»Nichts. Grüß Dad von mir.«
»Ellen?«
»Entschuldige. Ich befinde mich in einer höchst eigenartigen Stimmung. Alles in Ordnung, mach dir keine Sorgen. Viel Spaß.«
Sie beendete das Gespräch und starrte auf die kleinen Scherben des zerbrochenen Tellers, die auf dem Fußboden lagen.
Alles, was sie sich zu ihrem Glück jemals erhofft hatte, war Wirklichkeit geworden. Sie hatte einen Vater und eine Mutter, die an diesem Abend zusammen ins Theater gingen. Sie hatte einen Verlobten und einen Stiefsohn und erwartete ein Baby. Warum schwebte sie nicht im siebten Himmel? Warum war sie so reizbar und zickig? Konnte das wirklich nur an den Schwangerschaftshormonen liegen, verbunden mit der schlichten Angst vor Veränderung?
Konnte sie wirklich eine so durchschnittliche Frau sein?
Aha! Du hältst dich wohl für etwas Besseres, was, Ellen?
Ein gewaltiges Krachen ließ sie erschrocken zusammenfahren. Sie lief in den Flur und sah, dass zwei von Patricks übereinandergestapelten Umzugskartons
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