Alles aus Liebe: Roman (German Edition)
heiraten.«
»Ich weiß«, sagte ich. »Meinen Glückwunsch. Auch zum Baby.«
Seine Miene veränderte sich abermals, und er sagte: »Woher weißt du von dem Baby? Nein, sag’s mir nicht«, fügte er hinzu. »Ich will es gar nicht wissen.« Er stieß sich vom Auto ab, drehte sich um und ging weg.
»Weißt du noch, als Jack zum ersten Mal Pizza aß?«, rief ich ihm nach.
Er blieb abrupt stehen, verharrte einen Moment regungslos, drehte sich dann zu mir um und schrie: »Ja, das weiß ich noch! Wir hatten auch ein paar glückliche Stunden! Na und? Na und ?«
Er hatte die Arme gehoben, die Finger gespreizt, und ich sah, wie seine Hände zitterten.
»So kann es nicht weitergehen«, sagte er, und seine Stimme klang sehr seltsam. »Das muss aufhören.«
»Ich weiß«, sagte ich. Ich war ganz ruhig, und so hörte ich mich auch an. »Du musst zu mir zurückkommen.«
Der Teller, den Ellen an die Wand geworfen hatte, hatte ihrer Großmutter gehört und war Teil eines Service gewesen, das ihre Großmutter von ihren Eltern zur Hochzeit bekommen hatte. Ellen liebte dieses Tafelgeschirr. Würde das Haus brennen, würde sie noch einmal hineinlaufen, nur um dieses Service zu retten. Sie konnte nicht glauben, dass sie einen dieser kostbaren, unersetzlichen Teller an die Wand geworfen hatte. Und das wegen etwas so Blödem und Läppischem! Es war ja nicht so, als ob Patrick ihr mitgeteilt hätte, er habe eine Affäre. Sie hatten sich lediglich gestritten, weil sie ihre gesellschaftlichen Verpflichtungen nicht unter einen Hut bekommen hatten.
So etwas sah ihr überhaupt nicht ähnlich. Wenn das einer ihrer Patienten gesehen hätte!
Sie kniete sich auf den Fußboden und klaubte zerknirscht die Scherben zusammen.
»Tut mir leid, Granny«, sagte sie laut. »Das war wirklich kindisch.«
Sie sah ihre Großmutter vor sich, wie sie im Geisterreich (wo sie in irgendeinem Geisterausschuss mitarbeitete – sie war immer ein sehr gemeinnütziger Mensch gewesen) von ihrem Papierkram aufschaute und Ellen über ihre Brille hinweg musterte. »Das sieht dir aber gar nicht ähnlich, mein Schatz!«
»Ich weiß«, sagte Ellen. »Das ist wirklich seltsam.«
Das Telefon klingelte. Es war ihre Mutter.
»Ich habe einen von Grannys Tellern zerschlagen«, sagte Ellen zerknirscht. »Von ihrem Hochzeitsservice.«
»Dieses Geschirr hat mir immer so ein verstaubtes, modriges Gefühl eingeflößt«, bemerkte Anne. »Ich würde die Teller behalten, falls du dich mal mit Patrick streitest und etwas brauchst, um es an die Wand zu werfen. Was du natürlich nie tun würdest. Wenn ihr euch streitet, meditiert ihr wahrscheinlich zusammen oder singt Verse oder bringt eure Auras in Einklang oder etwas in der Art.«
»Du wirst es nicht glauben, aber ich habe den Teller tatsächlich an die Wand geworfen.«
»Im Ernst?« Ihre Mutter klang beeindruckt.
»Ja.« Ellen war plötzlich auch wütend auf Anne. »Und Patrick und ich singen keine Verse oder meditieren zusammen, und ich glaube auch nicht an eine Aura – jedenfalls nicht als physische Manifestation. Und außerdem werden keine Auren in Einklang gebracht, sondern Chakren. Wenn du schon bissig sein musst, dann verwende wenigstens die richtigen Begriffe.«
Anne schwieg einen Moment, dann sagte sie beschwichtigend: »Ich wollte nicht bissig sein. Entschuldige. Ich dachte, das sei witzig. Dein Vater … äh … David … hat übrigens gerade erst gestern Abend gemeint, ich hätte manchmal eine etwas ›scharfe Zunge‹. Vielleicht hat er gar nicht so unrecht.«
Annes Entschuldigung stachelte Ellens Zorn seltsamerweise noch mehr an. »Ich kann mir trotzdem nicht vorstellen, dass du dich für einen Mann ändern wirst«, fauchte sie. »Das hast du mir ja eingebläut, seit ich acht war. Als Patrick Hood sich in der Pause einmal neben mich setzen wollte, habe ich zu ihm gesagt, das gehe nicht, weil er dadurch möglicherweise meine Persönlichkeit unterdrücke. Worauf er geantwortet hat, er wolle gar nichts drücken, und dann ist er rot geworden und hat geweint und ist weggerannt.«
Anne kicherte. »So etwas habe ich nie gesagt. Das muss Melanie gewesen sein. Ich habe nie geglaubt, dass ein Mann imstande sein könnte, meine Persönlichkeit zu unterdrücken, vielen Dank.«
»Ja, kann sein, vielleicht hast du recht«, erwiderte Ellen seufzend, obwohl sie sicher war, dass die Lektion von ihrer Mutter stammte. Aber das war das Problem, wenn man von drei Frauen erzogen worden war: Man neigte dazu, sie in der
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