Alles aus Liebe: Roman (German Edition)
müssen.
»Ich ruf dich an«, hatte er ihr zum Abschied versprochen.
Um sechs Uhr morgens hatte ihr piepsendes Handy ihr den Eingang einer Textnachricht gemeldet.
Wann darf ich dich wiedersehen? Ich glaube, du hast mich hypnotisiert!
Schauderhaft, aber sooo süß!
Es hatte also ganz den Anschein, als bahne sich etwas an. Sie stand am Anfang von etwas Neuem. Da wären wir also wieder. Sie zog die salzige Luft ein und spürte, wie sie in der Kehle kratzte. Eine Sekunde lang lastete das Gewicht all ihrer früheren Enttäuschungen auf ihr.
Bitte mach, dass es diesmal klappt, dachte sie, so richtig bemitleidenswert.
Und dann, mit mehr Mut und Entschlossenheit: Nun komm schon, ich hab’s verdient!
Ellen hatte drei lange Beziehungen gehabt: Andy, Edward und Jon. Manchmal kam es ihr so vor, als würde sie die Erinnerungen an ihre Verflossenen mit sich herumschleppen wie drei alte Konservenbüchsen an einer Schnur.
Andy war ein erschreckend groß gewachsener junger Bankkaufmann. Ihre drei Jahre währende Beziehung war Ellen immer irgendwie unaufrichtig vorgekommen, so als würden sie nur sotun, als wären sie ineinander verliebt, aber das sehr überzeugend. Als Andy eine Stelle im Ausland angeboten wurde, sprach keiner von beiden die Möglichkeit an, dass Ellen ihn eventuell begleiten würde. Die ganze Geschichte hinterließ ein schmieriges Gefühl bei ihr, als ob sie einen fettigen Hamburger gegessen hätte.
Edward war ein lieber, sensibler Highschool-Lehrer. Ihre Liebe war tief und innig, und sie wurden eines jener Paare, deren Weg klar vorgezeichnet schien. Doch dann, aus vielerlei Gründen, die ihr immer noch nicht ganz klar waren, und zur Bestürzung all ihrer Freunde und Bekannten, implodierte ihre Beziehung plötzlich. Der Trennungsschmerz war kaum auszuhalten.
Jon hatte sie an ihrem dreißigsten Geburtstag kennengelernt. Okay, hatte sie gedacht, das ist es jetzt, das ist die richtige Beziehung, die Beziehung zweier erwachsener Menschen. Er war Ingenieur, klug und redegewandt. Ellen vergötterte ihn förmlich. Erst als er ihr das Herz in tausend Stücke gerissen hatte, wurde ihr klar, dass diese glühende Liebe im Grunde nie auf Gegenseitigkeit beruht hatte.
Ellen hatte diese gescheiterten Beziehungen immer als … nun … als ein Scheitern angesehen. Doch jetzt kam ihr der Gedanke, dass sie vielleicht notwendig gewesen waren, Etappen einer vorbestimmten Reise, die sie exakt hierher, an diesen Strand, führen sollte. Zu einem grünäugigen Vermessungsingenieur namens Patrick Scott.
Sie dachte an seine Exfreundin, seine Stalkerin. Saskia. Ein ungewöhnlicher Name mit seinen spröden kurzen Silben. Ellen drehte den Namen in ihrem Mund hin und her wie eine exotische, unbekannte Frucht. Saskia wäre nicht begeistert, wenn sie wüsste, dass sich Ellens Herz mit zarter, banger Hoffnung füllte.
Ellen kickte mit dem Fuß in eine Welle, sodass eine Fontäne eisiger Wassertröpfchen aufstob. Was für ein Mensch war diese Frau bloß? Hatte sie denn gar keinen Stolz? Ellen wäre es schon furchtbar unangenehm, wenn einer ihrer Exfreunde wüsste, dass sie gelegentlich an ihn dachte.
Dabei waren sie im Grunde immer präsent. Sooft sie aus dem Auto ausstieg, schob sie zwangsläufig den Fahrersitz zurück, damit Andy mit seinen langen Beinen Platz hatte, falls er das nächste Mal fuhr – eine Angewohnheit aus der Zeit, als sie sich ein Auto geteilt hatten. Jedes Mal, wenn sie eine Tomate aufschnitt, dachte sie an Jon, weil er ihr einmal gesagt hatte, durch schräges Anschneiden blieben sie saftiger. An jedem 26. Dezember dachte sie an Edward, weil er an diesem Tag Geburtstag hatte.
Eigentlich war es ganz normal, dass sie an ihre Verflossenen dachte. Immerhin war jeder von ihnen eine Zeit lang derjenige gewesen, der sie am besten kannte, der Tag für Tag mit ihr sprach, der genau wusste, wann sie sich wo aufhielt, der, wäre sie auf tragische Weise ums Leben gekommen, bei ihrer Beerdigung ganz vorn gesessen hätte.
Manchmal kam es ihr schon komisch und falsch vor, dass man mit jemandem so vertraut sein konnte, mit ihm schlafen ging und neben ihm aufwachte, regelmäßig äußerst intime Dinge mit ihm zusammen machte, und dann kannte man plötzlich nicht einmal mehr seine Telefonnummer oder seine Adresse, man wusste nicht mehr, wo er arbeitete oder was er am Tag zuvor oder letzte Woche oder letztes Jahr getan hatte.
Ellen schaute zu, wie sich am Horizont eine gigantische Welle kräuselnd aufbäumte und dann mit einem
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