Alles aus Liebe: Roman (German Edition)
Elternhaus zu wohnen. »Das Haus ist ein Fass ohne Boden«, sagte sie immer mit trauriger Bestimmtheit, als hätte irgendjemand sie um ihre fachmännische Meinung gebeten.
Das Haus sah wirklich seltsam aus. Es war in den Siebzigerjahren gebaut worden und besaß sämtliche bauliche Merkmale, die seinerzeit in Mode gewesen waren: Sichtbalken und unverputzte Backsteinmauern, eine stählerne Wendeltreppe, verspiegelte Mauerbögen, einen limonengrünen Zottelteppich und eine leuchtend orangerote Küche. Aber Ellen hatte dieses Haus immer geliebt. Sie fand den Retrolook äußerst reizvoll und charmant und weigerte sich, auch nur das Geringste daran zu ändern, sah man einmal von dem Stellplatz ab, den sie für ihre Patienten hatte anlegen lassen.
Als ihr Großvater starb und kurz darauf ihre Großmutter, lebte Ellen in einer Mietwohnung. Sie hatte auch ihre Praxisräume nur angemietet, obwohl »das Geschäft erstaunlich gut lief« (wie ihre Mutter, gleichermaßen enttäuscht wie stolz, den Leuten immer erzählte). Dann hatte sie das Haus geerbt, in dem sie nicht nur wohnen, sondern auch ihre Patienten behandeln konnte (der verglaste Anbau war das Nähzimmer ihrer Großmutter gewesen). Durch die Erbschaft war sie zum ersten Mal in ihrem Leben finanziell völlig unabhängig.
Ihr fiel ein weißer Stein im Sand auf, und sie bückte sich danach. Er war hübsch geformt und fühlte sich angenehm in der Hand an. Ellen beschloss, ihn mitzunehmen, vielleicht konnte sie ihn irgendwann bei einer Therapiesitzung verwenden.
Als sie sich wieder aufrichtete und aufs Meer hinausblickte, löste sich etwas in ihrer Brust, als hätte man ihr ein Korsett abgenommen. Wer gab schon gern zu, wie sehr er sich nach Liebe sehnte? Das gestand man nicht einmal sich selbst ein. Ein Mann sollte nur der Zuckerguss sein, nicht die ganze Torte. Ellen war so glücklich, dass es ihr peinlich war. Gott sei Dank konnte niemand die Champagnerkorken in ihrem Kopf knallen sehen.
Sie nahm sich vor, bei ihrer Rückkehr auf Patricks Textnachricht zu antworten. Vielleicht könnten sie am Abend zusammen ins Kino gehen. Nicht besonders originell, aber sich gemeinsam einen Film anzusehen war immer noch eines der schönsten Dinge, die man mit einem neuen Freund tun konnte. Sie würde sich bemühen, damit sie nicht allzu eifrig klang.
Ellen ging näher ans Wasser und grub ihre Zehen tief in den Sand. Sie konnte an nichts anderes als an Patrick denken.
Tut mir leid, Saskia, aber ich glaube, ich werde ihn behalten.
Er hat also mit der Hypnotiseurin geschlafen.
Ich weiß es. Ich habe es sofort gewusst, als ich die beiden aus dem Kino kommen und seine Hand auf ihrem Kreuz sah. Sie lag ziemlich weit unten, eine vertrauliche, Besitz ergreifende Berührung.
Er denkt, er wäre gut im Bett. Daran ist nur seine Frau schuld. Sie hat ihm einmal gesagt, er sei ein fantastischer Liebhaber. Und dann starb sie. Dadurch wurde alles, was sie jemals sagte, zum Evangelium. Das Wort Colleens.
Colleen hat Patrick einmal erklärt, dass man das Waschpulver in der Waschmaschinentrommel vollständig auflösen solle, bevor man die Wäsche hineingibt, obwohl die meisten Leute es einfach obendrauf schütten. Aber Colleen bestand darauf, die Wäsche würde dadurch sauberer. Also wurde es so gemacht. Du meine Güte, ich mache es immer noch so, auch wenn es lästig ist, weil man warten muss, bis die Trommel voller Wasser ist, und manchmal gehe ich weg und denke nicht mehr daran, bis mir schlagartig einfällt, dass das Programm schon halb durchgelaufen ist und ich gar keine Wäsche in der Trommel habe.
Patrick war tatsächlich ziemlich gut im Bett. Das ist er wahrscheinlich heute noch. Wahrscheinlich flüstert er immer noch die gleichen Worte, macht immer noch die gleichen Bewegungen.
Ich stelle mir vor, wie er mit ihr im Bett liegt, ihren Sandelholzduft einatmet, seine Hände ihre glatte, toxinfreie Haut streicheln.
Ich würde zu gern dabei sein. Ich würde gern am Fußende des Bettes sitzen und zuschauen, wie er den Kopf zu ihrer Brustwarze hinunterbeugt. Sie hat größere Brüste als ich. Das gefällt ihm bestimmt.
Ob sie ihn wohl umsonst hypnotisiert?
Ihre Stimme klingt wie warmer Honig, der von einem Löffel tropft.
Sie haben sich gestern Abend diesen Film mit Russell Crowe angesehen. Der Streifen war gar nicht schlecht. Patrick müsste eigentlich gewusst haben, was passieren wird, weil der Film auf der Serie beruht, die wir montagabends immer angeschaut haben. Ich war mir ziemlich
Weitere Kostenlose Bücher