Alles aus Liebe: Roman (German Edition)

hatte auch Jons Schmetterlingsküsse geliebt.
    Na und? Konzentrier dich auf seine Fingerspitze!
    Wahrscheinlich hatte Patrick bei Saskia die gleiche Methode angewendet, in genau diesem Bett, möglicherweise in genau dieser Bettwäsche.
    Interessant, aber völlig unwichtig.
    Hatte man seine sexuellen Praktiken erst einmal entwickelt und perfektioniert, behielt man sie meistens auch bei. Ellen selbst küsste immer noch genauso, wie jener Junge im Wohnwagenpark es ihr beigebracht hatte, als sie fünfzehn war. Er hatte nach Bier geschmeckt. Widerlich und unwiderstehlich. Wie hatte er doch gleich geheißen? Chris? Craig? Irgendetwas in der Art.
    Patrick zupfte an ihrem Nachthemd. »Zieh das aus.«
    Sie wollte in diesem Augenblick mit ihm im Bett sein, nirgendwo sonst. Andererseits gefiel ihr der Gedanke, Jon könnte den Hals einer anderen küssen, nicht besonders.
    Sie half Patrick, ihr das Nachthemd über den Kopf zu streifen.
    Was Saskia wohl jetzt gerade machte? Wo sie letzte Nacht wohl hingefahren war, nachdem sie sie an der Ampel verloren hatte? War sie nach Hause gegangen und hatte alte Fotos von sich und Patrick betrachtet? Hatte sie geweint?
    War sie, Ellen, schuld am Kummer einer anderen Frau? Sollte sie Patrick zurückgeben? Das hatte sie nun wirklich nicht vor. Er wollte Saskia nicht. Er wollte sie.
    So war das Leben. Beziehungen zerbrachen. Wenn das nicht so wäre, würde sie immer noch mit dem Jungen aus dem Wohnwagenpark zusammen sein, dessen Atem nach Bier roch.
    Julia hatte recht. Saskia sollte sich wie eine Erwachsene benehmen und sich mit den Dingen abfinden.
    Aber hatte ihre Weigerung loszulassen nicht auch etwas Erhabenes? Saskia war verrückt vor Leidenschaft. Ellen hatte nie zugelassen, dass Leidenschaft sie zu etwas Verrücktem verleitete.
    »Woran denkst du?«
    Patrick hatte sich auf einen Ellenbogen gestützt, schaute lächelnd auf sie hinunter und strich ihr das Haar aus der Stirn.
    »An Saskia.« Die ehrliche Antwort war ihr einfach so herausgerutscht.
    Patrick zog seine Hand zurück. »Scheint, als wäre ich nirgends sicher vor dieser Frau.«
    »Entschuldige.« Ellen streckte ihre Arme nach ihm aus, aber seine Lippen waren zusammengepresst, und er blickte wie ein übellauniger Lehrer drein, der die Nase voll hatte von seinen Schülern.
    Er sagte: »Jetzt liegt das Miststück schon bei uns im Bett.«
    Er sprang auf, ging in das angrenzende Badezimmer hinüber und knallte die Tür hinter sich zu.
    Ellen ließ sich auf das Kissen zurücksinken und schaute zu dem langsam sich drehenden Deckenventilator hinauf. Immer rundherum. Sie speicherte das Bild als eine gute Trance-Induktion: »Stellen Sie sich vor, Sie betrachten einen rotierenden Deckenventilator.«
    Siehst du, Saskia? Du hast uns daran gehindert, dass wir miteinander schlafen. Er ist deinetwegen sauer auf mich.
    Immer, wenn sie mit Patrick zusammen war, stellte ein Teil von ihr sich Saskias Reaktion vor, wäre sie da und könnte sie sie beobachten. Als ob sie in ihrer eigenen Reality-TV-Show vor einer einzigen Zuschauerin aufträte.
    Wüsste Patrick, wie viel Zeit sie damit verbrachte, an Saskia zu denken, wäre er außer sich vor Wut.
    Wenn man hinter jemandem steht und ihn lange genug anstarrt, wird er es spüren und sich umdrehen, weil er eine subtile Veränderung in der Atmosphäre wahrnimmt. Deshalb habe ich immer geglaubt, dass, wenn ich nur lange genug und intensiv genug an Patrick denke, er es spüren müsste. Wenn es möglich ist, einen Blick vom anderen Ende eines Zimmers zu fühlen, sollte man dann nicht auch in der Lage sein, eine Sturzflut aufrichtiger Emotionen, einen Tsunami der Gefühle, über ein paar Stadtteile hinweg zu registrieren?
    Ich stelle mir meine Gefühle als dichte Wolke vor, die über den Straßen von Sydney schwebt, und eines Tages, wenn Patrick unter der Dusche steht (er duscht gern lang und brühheiß, sodass er von Dampfschwaden eingehüllt ist) und das Fenster geöffnet hat, spürt er es plötzlich. Er spürt meine Liebe, er atmet die Wolke meiner Gefühle ein, und er stellt das Wasser ab und denkt: Saskia.
    Und während er sich abtrocknet, denkt er: Ich habe einen Fehler gemacht.
    Und dann, noch bevor er sich anzieht, ruft er mich an. Und alles ist wieder gut.
    Paare versöhnen sich. Das passiert andauernd. Warum sollte es uns nicht auch passieren?
    Ellen hörte, dass Patrick unter der Dusche stand.
    Sie hatte ihn verärgert. Er hatte sich so auf diesen Morgen gefreut. Jack war bei seinen Großeltern und