Alles aus Liebe: Roman (German Edition)
würde dort bleiben, bis sein Vater mit Ellen zum Abendessen dorthin fuhr. Lange ausschlafen, im Bett frühstücken und Zeitung lesen, das waren Patricks Pläne gewesen. Er hatte extra Croissants gekauft. Und jetzt hatte sie ihm den Morgen verdorben.
Konnte man es dem armen Mann verdenken, dass er nicht an seine Stalkerin erinnert werden wollte, wenn ihm der Sinn nach Sex mit Ellen stand?
Von Schuldgefühlen geplagt, schlug sie die Bettdecke zurück, stand auf und ging nackt, wie sie war, zur Badezimmertür. Patrick hatte nicht abgeschlossen. Ellen ging hinein. Der Duschstrahl prasselte in die Wanne. Vor lauter Dampf konnte sie fast nichts sehen.
»Na, kommst du zu mir?«, hörte sie Patrick fragen. Er klang nicht mehr wie ein zorniger Lehrer.
Ellen schob den Duschvorhang zurück.
Minuten später hatte sie ihre Beine um Patricks Hüften geschlungen und verschwendete keinen Gedanken mehr an Saskia.
Ich schlenderte eine Weile durch den Vorgarten der Hypnotiseurin.
Ich pflückte ein Gänseblümchen und steckte es mir hinters Ohr, als ob ich eines dieser Mädchen wäre, eines von denen, die wissen, dass sie mit einer Blume hinter dem Ohr hübsch aussehen. Es war, als hätte ich gedacht, dieses Gänseblümchen könnte die ganze Situation verändern, mich zu einem süßen, liebenswerten Ding machen, so als wäre das eine lustige kleine Dreiecksbeziehung, so als buhlten Ellen und ich auf einer Party um die Aufmerksamkeit desselben Jungen. Dann ging ich die vordere Veranda hinauf und sah mein Spiegelbild in der Glasscheibe neben der Haustür. Ich sah wie eine abgetakelte Frau mittleren Alters aus. Ich riss das Gänseblümchen herunter und zerdrückte es in der hohlen Hand. Dann klopfte ich laut an die Tür, obwohl ich ja wusste, dass Ellen gar nicht da war. Ich klopfte noch einmal, kräftiger, zorniger. Ich bin jetzt da! , schien mein Klopfen auszudrücken.
Ich zuckte mit den Schultern, als ob wir einen Termin gehabt und sie mich versetzt hätte. Ich stieg die Verandastufen hinunter. Da erst fiel mir der schmale Weg seitlich am Haus auf, der direkt zum Strand hinunterführte. Ich folgte ihm. Unten angekommen, zog ich meine Schuhe aus und lief barfuß über den kalten Sand.
Kaum zu glauben. Man geht aus dem Haus und ist am Strand.
Ob sie das zu schätzen weiß? Sie scheint kein besonders sportlicher Typ zu sein. Ich kann sie mir nicht schwitzend oder schnaufend am Strand entlanglaufend vorstellen. Wahrscheinlich sitzt sie im Schneidersitz da und meditiert und leiert Mantras herunter. Oder sie praktiziert Yoga. Begrüßt die Sonne und all solchen Mist.
Der Strand lag verlassen da. Außer dem Plätschern der Wellen und dem gelegentlichen Kreischen einer Möwe war kein Laut zu hören. Es war noch zu früh für Jogger und Powerwalker und Leute, die ihre Hunde ausführten. Es herrschte Flut, und der perlmuttfarbene Himmel schien sehr tief zu hängen.
Ohne auch nur eine Sekunde nachzudenken, schälte ich mich aus meinen Sachen, lief ins Meer und stürzte mich in eine Welle.
Das Wasser war so grausam kalt, dass mir die Luft aus den Lungen gepresst wurde. Als ich wieder auftauchte, stieß ich einen gellenden Schrei aus, und dann tauchte ich wieder unter, wieder und wieder. Und jedes Mal öffnete ich unter Wasser die Augen, und ich sah wirbelnde Sandstrudel und trübe Lichtstrahlen.
Vergiss ihn.
Lass ihn gehen.
Befrei dich von ihm.
Jedes Mal, wenn ich tauchte, hörte ich die Worte so klar und deutlich in meinem Kopf, als ob Meerjungfrauen sie mir ins Ohr flüsterten.
Als ich später über den Strand zu meinen Sachen ging und die Morgensonne warm und weich auf meinen nackten Schultern spürte, beschloss ich, irgendwo in einem Café zu frühstücken und die Zeitung zu lesen. Und plötzlich überkam mich ein merkwürdiges Gefühl, das ich lange nicht mehr verspürt hatte. Es dauerte ein paar Minuten, bis mir klar wurde, dass es Glück war, was ich empfand. Schlichtes, simples Glück. Ich hatte ganz vergessen, wie gern ich im Meer schwimmen ging. Das hatte ich ewig nicht mehr gemacht. Ich weiß auch nicht, warum. Es musste schon brütend heiß und das Wasser praktisch lauwarm sein, damit Patrick schwimmen ging. »Du Weichei!«, brüllte ich ihm vom Wasser aus immer zu, aber er winkte lediglich ironisch ab, ohne auch nur von seiner Zeitung aufzublicken.
Er sei immer schon sehr eigen gewesen, was die Wassertemperatur anging, erzählte mir seine Mutter einmal. Sie musste ihm Entschuldigungen schreiben, damit er nicht an
Weitere Kostenlose Bücher