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Alles außer Mikado: Leben trotz Parkinson (German Edition)

Alles außer Mikado: Leben trotz Parkinson (German Edition)

Titel: Alles außer Mikado: Leben trotz Parkinson (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Mette
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gigantische Gewölbe und ich begab mich zur Kanzeltreppe. Aber die Tür war verschlossen. Ein kurzes Stoßgebet – schließlich bin ich ein Blues Brother, nämlich im Auftrag des HERRN unterwegs – und dann ging ich orthopädisch einigermaßen auffällig zum filigranen Designerstehpult. Ein wahrhaft schlankes Gebilde. Ob der Künstler jemals gepredigt hat? Es half alles nichts, ich Wackelkandidat musste nun ran.
    Zu meinem großen Erstaunen ging alles phantastisch. Herr P. hatte nichts zu melden. Der Tremor schlug erst zu, nachdem ich AMEN gesagt hatte. Das sind die kleinen Wunder, die das Gottvertrauen aufladen. Von der Sorte habe ich viele erlebt.
    An meinem 60. Geburtstag bekam ich von meinen Kolleginnen und Kollegen Tickets für ein Grönemeyer-Konzert auf der Berliner Waldbühne geschenkt. Gute Idee. Die schlechte Idee hatten meine Frau und ich, indem wir kleidungsmäßig auf einen lauen Sommerabend gesetzt hatten. Als Herbert so richtig loslegte, waren wir bis auf die Haut durchnässt. Es goss nämlich wie aus Kübeln. Die Berliner kennen das und waren in voller Regenmontur erschienen. Nach der Hälfte des Programms bekam ich eine derart grobmotorische Zitterattacke, dass ich kaum noch die endlosen Treppen zum Ausgang hochkam. In der Hoffnung, dort ein Taxi zu finden, das uns zur S-Bahn bringen würde, wankte ich mit letzter Kraft raus auf den Vorplatz. Aber da war kein Taxi. Zum Glück haben mich nette Erste-Hilfe-Männer aufgegabelt und in Sicherheit gebracht. Bald war ich innerlich mit heißem Tee und äußerlich mit wärmenden Decken aufgeheizt. Und dann kam der Engel von Berlin. Eine nette Frau fuhr am Haupteingang vor und bot sich an, uns nicht bloß zum S-Bahnhof, sondern gleich in unser Hotel zu bringen. Bisher dachte ich immer, die Engel seien nur im Himmel. In Berlin gibt es wenigstens einen auch auf Erden.
    Geschüttelt und gerührt, statt sportiv und cool – in dieser neuen Welt bin ich angekommen. Ich bin angekommen, aber nicht heimgekommen. Mein Leib, einst eine Festung, gleicht jetzt einer Baracke. In diesem wackligen Gebäude will ich erst gar nicht heimisch werden. »Ich bin ein Gast auf Erden«, schreibt Paul Gerhardt.
    Helmut Thielicke, der hochgeschätzte Theologe, hat seine Lebenserinnerungen mit dem Titel »Zu Gast auf einem schönen Stern« überschrieben. Dem Motto schließe ich mich gern an. Die ultimative Heimat ist »jenseits von Eden und Beben«.
    An meinem 60. Geburtstag trat zu meiner Überraschung ein Chor auf, den ich vor 20 Jahren dirigiert hatte. Die Sänger waren spontan aus ganz Hessen zusammengekommen, um mir ein nostalgisch-musikalisches Ohrenvergnügen zu bereiten. Am Anfang des Konzerts stand ein Titel von Manfred Siebald, einem der bekanntesten zeitgenössischen christlichen Liedermacher:
    Wollte ich nicht für mein Leben gern die Quelle sein. Wollte entspringen aus mir selbst, in mich hinein. Doch alle meine Brunnen sind versiegt, mein Leben wurde dürres Land; kein Vogel, der zu meiner Quelle fliegt – er fände doch nur Staub und Sand.
    Herr, meinen Durst nach Leben stillst nur Du allein. Ich will im Strom Deines Lebens eine Welle sein. Nur eine Welle, die vor Freude schäumt, weil sie in Dir entspringt und die noch im Zerfließen davon träumt, dass sie den Durst’gen Wasser bringt.
    Wollte ich nicht für mein Leben gern die Feder sein? Brachte mich selbst in Schwung, lief in den Tag hinein. Doch meine Kraft erlahmte vor der Zeit; was selbst lief, blieb auch selber stehn, und wie ein Rost zerfraß mich Müdigkeit – es wollte nicht mehr weitergehen.
    Herr, alle Kraft zum Leben kommt aus Dir allein; ich will in Deinem Werk nur eins der Räder sein. Nur eins der Räder, das sich um Dich dreht, aus Deiner Kraft, wohin Du lenkst; das für Dich läuft und vor Dir stille steht, geradeso, wie du es denkst.
    Das ist mein Lied. Jede Strophe spiegelt meine angefochtene Existenz wider. »Was selbst lief, blieb auch selber stehn …« 9
    Der aufrechte Gang des »Homo erectus« läuft unbewusst vollautomatisch. Die Bewegungsabläufe sind präzise gesteuert, geschmeidig im Ablauf, immer die Vertikale auspendelnd. Das ist der unwillkürliche Automatikbereich. Es läuft von selbst. Wir geben den Armen ja keine Befehle, beim Laufen zu schlenkern. Leider setzt diese unwillkürliche Automatik beim Parki irgendwann aus. Im fortgeschrittenen Stadium kann es passieren, dass er sich mitten in einer Fußgängerzone nicht mehr fortbewegen kann. »Freezing« nennt man das

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