Alles außer Mikado: Leben trotz Parkinson (German Edition)
schreibe, unternehmen wir beide eine zweitägige Tour durch die Eifel. Mit einem außergewöhnlichen Auto. Es hat nur zwei Türen, und die gehen nach oben auf.
Seitdem ich mein Leben mit Herrn P. teile, tue ich die schönen Dinge des Lebens bald, nicht irgendwann. Demnächst tue ich sie gleich, nicht bald. Meine Frau sorgt dafür, dass nichts aufgeschoben wird.
Als ich einen meiner besten Freunde in meine Krankheit einweihte, nannte er mir den Namen eines Unternehmensberaters, den ich vor 15 Jahren mal im Urlaub auf Korsika getroffen hatte. Der Mann sei auch seit vielen Jahren von Parkinson betroffen. So machten wir einen Termin aus und besuchten ihn und seine Frau. Ich war sehr aufgeregt und in Sorge. Wie stark würde er von der Krankheit gezeichnet sein? Wie hinfällig ist ein Mann nach zehn Jahren hoher Medikamentendosis? Aber zu unserer Überraschung öffnete uns ein strahlender Mittfünfziger und bat uns in sein schönes Haus. Er servierte uns zitterfrei ein kühles Hefeweizen und so kamen wir schnell in eine lockere Konversation. Nach meiner ersten depressiven Phase war diese Begegnung für meine Frau und mich eine große Ermutigung
Kurze Zeit später rief mich ein befreundeter Professor aus Gießen an und brachte mich mit einem Parkinsonkranken zusammen, der wie ich als Geschäftsführer eine gemeinnützige Organisation leitet; sie leistet christliche Bildungs- und Sozialarbeit in Afrika. Der Mann jettet ständig zwischen Hessen und Afrika hin und her, und das mit acht Jahren Parkinson im Kopf. Ein Vorbild an Disziplin, ein durchtrainierter 60er, voller Tatendrang. Er schafft es – im Gegensatz zu mir –, sich regelmäßig ins Fitnessstudio zu begeben.
Eines Tages beobachtete ich in der alten Aula der Marburger Philipps-Universität einen emeritierten Professor. Sein Gang sah ganz typisch nach Parkinson aus. Ich sprach ihn nach dem Vortrag beim Stehempfang auf seine Gesundheit an, wir fühlten uns sofort verbunden. Kurze Zeit später kam eine Religionswissenschaftlerin dazu, die auch mit Parkinson zu kämpfen hat.
Inzwischen sind wir 20 Betroffene mit Ehepartnern. Diese zuversichtliche Leidensgemeinschaft tut uns allen so gut. Uns verbindet die gemeinsame Überzeugung, dass wir unsere Situation im Glauben annehmen und im Heute leben wollen, nicht in der Angst vor morgen.
Ich möchte jeden Leidensgenossen ermutigen, Kontakte zu knüpfen und Gemeinschaft zu suchen. Isolation ist schlimmer als Morbus Parkinson . Ich habe bisher nicht bereut, mich zu meiner Erkrankung bekannt zu haben. Ich bin mir aber auch der Gefahr bewusst, dass mich manche Leser künftig nur über meine Behinderung wahrnehmen werden. Andere werden mich abhaken, weil ich nicht mehr die gewohnte Leistung erbringe. Damit lebe ich jenseits der 60 gern. Vor fünf Jahren wäre ein solches Outing zu früh und vielleicht sogar für meine Familie und meinen Beruf existenziell schädlich gewesen. Ich gebe immerhin etwas höchst Persönliches von mir preis. Ich lasse wildfremde Menschen in einen sehr sensiblen Bereich meines Lebens schauen. Aber meine Parki-Genossenschaft hat mich nach der Lektüre einer Leseprobe sehr ermutigt, weiterzuschreiben und meine Erfahrungen zu veröffentlichen. Wer ermutigen will, muss die Festung verlassen und auch bereit sein, sich verletzlich zu machen.
13.
Geschüttelt und gerührt
Jeder Mensch verfügt über genetisch veranlagte, erworbene und gereifte oder verkümmerte Charaktereigenschaften, die sein Leben und das der anderen entweder bereichern oder belasten. Vereinfacht und etwas plakativ betrachtet heißt das, dass ein leicht entflammbares Gemüt hinreißend romantisch und empathisch sein kann, aber auch in der Lage ist, zornig zu explodieren. Das Pendant dazu steht nicht in dieser Gefahr, weil es eher das Temperament eines trockenen Spaßverweigerers hat. Ein solcher Typ verausgabt sich ganz selten mit Komplimenten. Emotionen sind für ihn Frauensache. Er rastet fast nie aus, kann sich aber auch für nichts richtig begeistern. Er ist zu stolz, um weinen, und zu verklemmt, um befreit lachen zu können.
Mein Eindruck in der Beobachtung von Parkinsonkranken ist, dass dominante Wesensmerkmale durch die typische Parkinsonsymptomatik noch verstärkt werden.
Wenn ich als gesunder Mensch beim Hören bestimmter Musik Gänsehaut bekomme und mir die Augen feucht werden, dann setzt sich das Parkinsonsymptom genau auf diese Emotion und verstärkt sie massiv. Ich habe Musik schon immer körperlich erlebt, nicht nur
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