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Alles außer Mikado: Leben trotz Parkinson (German Edition)

Alles außer Mikado: Leben trotz Parkinson (German Edition)

Titel: Alles außer Mikado: Leben trotz Parkinson (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Mette
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der Haut fahren zu können, zwar nicht »nachvollziehen«, aber ich habe ein wenig Ahnung davon. Während meiner theologischen Ausbildung absolvierte ich ein klinisches Praktikum. Ich bekam den Auftrag, einen Patienten zu betreuen, der sich in selbstmörderischer Absicht mit Benzin übergossen und angezündet hatte. Er wurde gerettet, erlitt aber von der Hüfte bis zum Hals schwerste Verbrennungen. Der Chefarzt meinte, ich könne ja als angehender Seelsorger schon mal üben. So saß ich zwei Wochen am Bett eines Schwerverletzten, der eigentlich schon längst tot sein wollte. Sein Oberkörper war hart verkrustet, ein schwarzer, verkohlter Panzer, das Bett vibrierte unter den panischen Schmerzen. Der Patient war meistens in einem Dämmerzustand. Viele Jahre später wurde ich im Kino bei »Der englische Patient« wieder an diesen leidgeprüften Menschen erinnert.
    An Unterhaltung mit diesem geplagten Mann war nicht zu denken. So holte ich meine Gitarre, sang ihm geistliche Lieder und las ihm Klagepsalmen aus der Bibel vor. Ich tat dies im festen Glauben, dass dieser Dienst nicht vergeblich bleiben sollte.
    Zurück zu Hiob. Satan spielt den letzten Trumpf aus seiner Versuchungskiste. Er kriegt Hiobs Frau rum. Sie distanziert sich von ihrem fast verfaulten Mann. Aussatz, das war eigentlich keine Hautkrankheit. Das war die Bezeichnung des sozialen Status eines Menschen, in diesem Fall ein asozialer Status. Wer einen infektiösen dermatologischen Befund hatte, wurde ausgesetzt. Daher der Begriff Aussatz.
    Hiobs Frau setzt ihren Mann aus und wird damit zu einer Verbündeten Satans. »Pfeif auf deinen Gott, sag dich von ihm los!«
    Ich habe mich früher immer über Hiobs Frau empört. Wie kann man seinen Liebsten nur so aufgeben? Heute verstehe ich mehr denn je, dass Ehepartner an den Punkt kommen können, wo sie in der Verzweiflung, ihre eigene Haut retten zu müssen, auf Distanz zum schwer kranken Partner gehen. »Frau Hiob aus M.« ist nach zehn Jahren Pflege nervlich am Ende. Und dann entschließt sie sich nach schweren inneren Kämpfen, ihren dementen Partner, ihre große Jugendliebe, in ein Pflegeheim zu geben. Welch ein Schmerz über den Geliebten, der sie am Ende nicht mehr erkannt hat. Sie hat tagelang geweint, nachdem der gewindelte Verwirrte von Uniformierten abgeholt wurde. Und als ihr dann noch eine rechtschaffene Kirchenfrau Vorwürfe machte, sie würde sich ja wie die Frau Hiobs verhalten, da war sie drauf und dran, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Frau Hiob lebt unter uns – und sie verzweifelt unter uns.
    Udo Lindenberg singt in dem Lied »Kleiner Junge« von einem Gespräch zwischen Mutter und Kind: »Was ist mit Gott? Und Mutter sagt: Der hat den Himmel zugemacht. Der ist abgehauen und ganz weit weg und kümmert sich ’nen Dreck.«
    Seit Hiob fragt die Menschheit so: Wie kann Gott das zulassen?
    Der bekannte Theologe Heinz Zahrnt (1915–2003) veröffentlichte 1985 das Buch »Wie kann Gott das zulassen? Hiob – der Mensch im Leid« 10 . Dieses Werk hat mich für die Beschäftigung mit Hiob sehr inspiriert. Ich lasse im Folgenden einige seiner Gedanken mit einfließen. Zahrnt hat damals diagnostiziert, dass diese Frage einmal die am häufigsten gestellte Frage an das Christentum sein würde. Er hat recht behalten. Heute ist es so gut wie die einzige Frage, die noch an Gott, Glaube und Kirche gestellt wird.
    »Warum leide ich? Das ist der Fels des Atheismus«, sagt Georg Büchner im Drama »Dantons Tod«. Wenn man das Christentum angreifen will, dann braucht man nur mit der Frage nach dem Leid anzusetzen. Wenn dieses Thema in einer Talkshow verhandelt würde, hätte der Anwalt der Christen schlechte Karten, denn es gibt keine plausible Antwort auf diese Frage, keine, die als Schlagzeile in die BILD -Zeitung passen würde. Da passen nach Naturkatastrophen oder Tragödien nur drei plakative Worte rein: Wo war Gott?
    Wenn alles gut läuft, und es läuft wirtschaftlich seit 50 Jahren blendend, dann titelt keine Zeitung »Gott war da!« oder »Gott sei Dank!« Die Mehrheit will einen netten und stillen Gott, der Schlimmes verhindert. Dabei hat sich der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs mit einer Gesellschaftsordnung für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit an Israel und die Völker gewandt, die bis heute als Wertefundament vieler Staatsverfassungen und Gesetzeswerke weltweit dient, nämlich die Zehn Gebote. Wie viel Schaden wäre vermieden worden, wenn die Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und den

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