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Alles außer Mikado: Leben trotz Parkinson (German Edition)

Alles außer Mikado: Leben trotz Parkinson (German Edition)

Titel: Alles außer Mikado: Leben trotz Parkinson (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Mette
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erstmalig das Gespenst namens »morbus parkinson« an meinem Bett und grinste mich höhnisch an. Ich wusste nichts über die Krankheit, aber ich wusste, dass ich sie habe, besser: dass sie mich hat. Ich schlief mit Panik ein und wachte mit Panik auf. In vier Tagen waren zwölf Folgen im Kasten. Die Regie war trotz meiner Zitterpartie zufrieden.
    Mit dem beklemmenden Gefühl, dass der Rest meines Lebens von diesem Wartburgerlebnis bestimmt sein würde, fuhr ich durch die wunderschöne Winterlandschaft des Thüringer Waldes zurück nach Marburg.
    Diese Strecke war im Jahr 1228 die junge Witwe Elisabeth von Thüringen mit ihrer Magd Guda und ihren beiden Kindern von der Wartburg bis nach Marburg gelaufen, um sich dort um die Schwachen und Kranken zu kümmern. Das heutige so selbstverständliche Hospitalwesen geht auf die »Heilige Elisabeth« zurück, auf ihr Mitleid mit den Armen und ihre leidenschaftliche Hingabe an die Verwahrlosten ihrer Zeit. Jedes Mal, wenn ich an Eisenach vorbeifahre, bin ich im Geist bei dieser starken Frau, die infolge der unzureichenden hygienischen Bedingungen bereits im Alter von 24 Jahren starb. Sie verzehrte sich für ihre Patienten restlos, aber ihr Lebenszeugnis steht mir täglich vor Augen, wenn ich auf dem Weg zur Arbeit die nach ihr benannte Elisabethkirche sehe. Das soll im letzten Lebensviertel auch mein Bestreben sein: Menschen wohlzutun, die in ihrem Leben viele Gründe hatten, an der Gerechtigkeit Gottes zu zweifeln. Nicht mehr so streitbar und fundamental wie der große Reformator Martin Luther, aber ganz im Sinne eines ihm zugeschriebenen Textes:
    »Mir ist es bisher wegen angeborener Bosheit und Schwachheit unmöglich gewesen, den Forderungen Gottes zu genügen. Wenn ich nicht glauben darf, dass Gott mir um Christi willen dies täglich beweinte Zurückbleiben vergebe, so ist’s aus mit mir. Ich muss verzweifeln.
    Aber das lass ich bleiben. Wie Judas an den Baum mich hängen, das tue ich nicht. Ich hänge mich an den Hals oder Fuß Christi, wie die Sünderin. Ob ich auch noch schlechter bin als diese, ich halte meinen Herrn fest.
    Dann spricht er zum Vater: Dies Anhängsel muss auch durch. Er hat zwar nichts gehalten und alle deine Gebote übertreten, Vater, aber er hängt sich an mich. Was will’s? Ich starb auch für ihn, lass ihn durchschlüpfen. Das soll mein Glaube sein.«
    In den Tagen auf der Wartburg beginnt aber auch meine Flucht vor der Diagnose. Herr P. hat sich in meinem Gehirn häuslich eingerichtet. Er wohnt zur Miete, bezahlt nicht, benimmt sich aber wie der Wohnungseigentümer. Das kann ich doch nicht zulassen. Und wenn Gäste kommen, dann führt er mich hinterlistig vor und lässt mich alt aussehen. Bevor ich auf einen Menschen zugehe, befeuert er meine Muskeln mit falschen Informationen. Wenn ich um Fassung und einen standfesten Auftritt ringe, höre ich ihn höhnisch hinter meinem Rücken lachen. Mit großer Befriedigung hört er Sätze wie »Du hast dich irgendwie verändert!« Ich leide furchtbar an solchen Bemerkungen.
    Er will wohl langfristig bleiben, der unerwünschte Gast. Herr P. übernimmt klammheimlich die Regie meines Lebens. Aber seine Möglichkeiten sind berechenbar. Er hat sich die Zugangsrechte zu meiner Hülle erschlichen, zum funktionellen Apparat, zum Steuerungssystem zwischen Gehirn und Muskeln. Aber zum Prozessor hat er keinen Zugang. Mein Herz und Wesen sind bereits besetzt. Da hat sich längst ein anderer niedergelassen. Kein Zutritt für Herrn P.!
    Ich lerne zu akzeptieren, dass ich das Muskelmanagement künftig mit diesem üblen Genossen teilen muss, aber ich weiß auch um die Sperrbezirke, in die er nicht vordringen darf. Doch richtig sicher bin ich mir auch da nicht. Umso überzeugter kann ich allerdings im Rückblick auf mein Wartburg-Trauma mit Luther bekennen:
    »Und wenn die Welt voll Teufel wär und wollt uns gar verschlingen, so fürchten wir uns nicht so sehr, es soll uns doch gelingen!« 5
    4 Jesus unsere Freude, Gemeinschaftsliederbuch, Brunnen-Verlag, Gießen, 1995, S. 593
    5 Jesus unsere Freude, Gemeinschaftsliederbuch, Brunnen-Verlag, Gießen, 1995, S. 593

4.
Den Vorboten verboten
    Die Brüche unserer Lebensgeschichte kündigen sich manchmal durch Vorboten an. Sie warnen diskret, klopfen von Zeit zu Zeit an die Tür unseres Gewissens und tauchen auch schon mal auf, wenn wir sie gar nicht erwarten. Wir ahnen zwar die Folgen und Spätfolgen unseres ungesunden Lebensstils, verbieten den Vorboten aber, uns zu

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