Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition)
Zornesfalten müsste ich Ihnen zusätzlich mit Hyaluron unterspritzen.«
Das Zeug kannte ich von meiner Nachtcreme, da war das auch drin. Es hatte bisher aber leider nicht geholfen.
»Hyaluron«, fuhr mein neuer Freund fort, »ist ein körpereigener Stoff und wird im Laufe von zirka einem Jahr wieder abgebaut. Botox spritzen wir zusätzlich, um die Bewegung der Stirnmuskeln einzuschränken, damit sich die Falten nicht so schnell wieder bilden können.«
»Aber bitte nicht zu viel, lieber Herr Doktor. Ein bisschen Mimik brauche ich für meine Auftritte!«
Mich beschlich die wahnsinnige Angst, dass mein Gesicht zu einer Maske werden könnte. Vor meinem geistigen Auge sah ich Sylvester Stallones und Mickey Rourkes spannungsgeladene Antlitze und musste mich schütteln.
»Keine Angst, Frau Meissner. Ich habe ein gutes Gespür dafür, was gut aussieht!«, munterte mich Pfeiffer-Plönsgen auf. »Kann ich Ihnen sonst noch behilflich sein?«
Er blickte mich so vertrauenserweckend und wohlwollend an, dass ich mich ermutigt fühlte, ihm meine zweite Problemzone zu präsentieren.
»Ich würde gern wissen, ob Sie auch Falten an den Knien wegzaubern können!«
Pfeiffer-Plönsgen sah für einen Moment irritiert aus.
»Soll ich es Ihnen mal zeigen? Ich müsste dafür aber meine Hose runterlassen«, bot ich an.
»Oh!«, lächelte er breit. »Moment bitte, dazu würde ich gern die Kamera anschalten, damit der richtige Pfeiffer-Plönsgen im Operationssaal diesen wunderbaren Anblick nicht verpasst.«
Er tat so, als suche er einen Einschaltknopf unter der Tischkante, während ich die Jeans über den Hintern streifte und bis auf die Knöchel fallen ließ. Dann stellte ich mich aufrecht hin und streckte die Beine durch. Dabei bildeten sich über der Kniescheibe viele kleine Falten, die mich besonders im Sommer störten. Ich trug kaum noch kurze Röcke, weil ich das Gefühl hatte, alle starrten nur auf meine Knie. Der »Facharzt für Falten jeder Art« stand auf und griff in das Faltennest. Meine Oberkniehaut ließ sich gefühlte zwei Meter vom Bein wegziehen.
»Einfach zu viel Haut! Wenn man da schneidet, hätten Sie eine Narbe. Wollen Sie das?«
»Natürlich nicht!« Ich zog enttäuscht meine Hose wieder hoch.
»Das ist doch noch nicht so schlimm, Frau Meissner. Wir machen jetzt Ihre Stirn, und danach schaut jeder nur noch in Ihr Gesicht«, tröstete er mich.
Im Nachbarraum setzte ich mich auf einen Behandlungsstuhl. Eine junge Frau namens Mokel begrüßte mich. Sie reichte mir Eisbeutel, die ich auf meine Stirn drücken sollte. Zwei Minuten später stürmte auch Pfeiffer-Plönsgen ins Zimmer, öffnete eine kleine Ampulle und zog deren Inhalt in eine Spritze.
»So, Frau Meissner, wir beginnen mit Hyaluron!«
Der Klang seiner Stimme ließ vermuten, dass ihm dieser Teil der Behandlung besondere Freude bereitete.
»Frau Mokel, bitte bringen Sie die Patientin in eine aufrechte Position.«
Während sich die Rückenlehne des Behandlungsstuhls in die Senkrechte bewegte, erläuterte Pfeiffer-Plönsgen gut gelaunt: »Das sollten Sie wissen, Frau Mokel: Hyaluron immer im Sitzen spritzen. Im Liegen fiele die Gesichtshaut der Patientin nach unten, und die Falten würden sich verschieben. Dann hätten wir Beulen an Stellen, wo vorher gar keine Falten waren!«
»Nicht wir, Herr Doktor, ICH hätte Beulen an Stellen, wo vorher keine Falten waren!«, erwiderte ich.
»Natürlich Sie, Frau Meissner!«
Sicher scherzte er. Ich mag Menschen mit Humor. Fast euphorisch spritzte und rieb er abwechselnd an den Zornesfalten, die meine Mama als schwer heiratsverhindernd ansah. Während ich wieder mit dem Eisbeutel auf der Stirn darüber nachdachte, ob ich danach wie ein Einhorn aussehen könnte, zog Frau Mokel Botox in die Spritze, schnipste zweimal mit dem Zeigefinger dagegen und reichte sie meinem Gott in Weiß. Der bat mich, meine Stirn zusammenzuziehen. Dann schaute er konzentriert durch seine Brille.
»Frau Mokel, unsere Patientin ist zum ersten Mal hier. Sozusagen eine Novizin. Wir müssen sie anfüttern.« Er spritzte zwischen den Augenbrauen, ausgehend von der Mitte, im Abstand von einigen Millimetern ein »V« in meine Stirn.
»Darum würde ich der Patientin niemals sagen, dass sie nicht nur zwischen den Augenbrauen ein kleines Problem hat, sondern auch die auf der Stirn befindlichen tiefen Querfalten behandlungsbedürftig sind. Nein, so etwas sage ich ihr besser nicht. Ich spritze einfach auch dort noch ein wenig Botox.«
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