Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition)
Pfeiffer-Plönsgen fühlte sich ausgesprochen wohl auf seiner Kabarettbühne und fuhr fort: »Und natürlich würde ich ihr niemals sagen, dass sie zu Schlupflidern neigt. Ich spritze einfach mittig über jeder Augenbraue ein wenig Botox und zack, ziehen sich die Brauen nach oben und machen einen offenen, jüngeren Blick!«
Ich verstand plötzlich, warum so viele meiner Kolleginnen dreieckige Augenbrauen haben und dadurch wie Mephisto persönlich aussehen. Ich hatte bisher immer gedacht, dass bei der Kosmetik falsch gezupft worden war!
Frau Mokel wusste nicht so richtig, ob ich den Spaß verstand, und schaute konzentriert zwischen dem Doktor und meiner Stirn hin und her. Ich dagegen konnte mich nicht mehr halten und begann nach der letzten Spritze schallend zu lachen. Pfeiffer-Plönsgen und Frau Mokel kicherten erleichtert mit. Beim Blick in den mir gereichten Spiegel konnte ich weder einen teuflisch offenen Blick noch eine sichtbare Verjüngung meines Äußeren bemerken. Ein paar klitzekleine Stiche leuchteten rot und symmetrisch auf meiner Stirn, statt der Zornesfalte wölbte sich die Haut wie ein großer Pickel. Ich hob die Augenbrauen und zog sie zusammen – alles wie immer.
»Keine Sorge, Frau Meissner!« Pfeiffer-Plönsgen leierte die folgenden Sätze auswendig herunter: »Morgen sehen Sie aus wie neugeboren, jung und glatt. Reiben Sie immer ein wenig über die Stelle mit dem Hyaluron, um es gleichmäßig zu verteilen. Am besten den Finger mit der eigenen Spucke befeuchten, das ist die sicherste Desinfektion! Wir sehen uns!«
Dann schüttelte er mir die Hand und schwebte aus der Zimmertür, um seine nächste Patientin charmant zu umgarnen. Ich zahlte für diesen Flirt 450 Euro und hoffte, dass das Ergebnis auch in einem adäquaten Verhältnis zu diesem Preis stehen würde. Ein wenig Sorge hatte ich ja in Anbetracht dessen, dass Pfeiffer-Plönsgen selbst völlig ungespritzt und unoperiert schien.
Nach dem Verlassen der Klinik hätte ich meine Aufregung und fast überschwängliche Freude gern mit jemandem geteilt. Ich überlegte: Carsten fiel aus. Dem konnte ich das nicht erzählen, er wäre wütend geworden, und ich hätte genau das Gegenteil von dem erreicht, was ich mir mit dieser Aktion erhoffte. Meine Schwester wohnte seit einem Jahr in Berlin und wäre nur telefonisch erreichbar gewesen. Doro arbeitete. Mist. Gisi? Im Moment war sie schwer beschäftigt. Vor drei Monaten war sie Oma geworden und neben ihrer Arbeit rund um die Uhr für ihre Enkelin im Einsatz. Auf Gisi konnte man sich verlassen, wenn man in Not war. Falten waren für sie keine Not.
Schweren Herzens lenkte ich mein Auto darum Richtung Heimat und schlich in meine Wohnung, um Carsten nicht sofort zu treffen. Bis zu meiner Vorstellung am Abend auf dem Theaterschiff saß ich vor meinem »Ehrlich-Vergrößerungsspiegel«, der nicht nur meine Einstiche extrem groß aussehen ließ, und zog Grimassen. Furchtbar, diese Faltenkrankheit, die mich bereits seit einigen Jahren im Griff hatte. Noch wirkte meine Haut genauso zerknittert und zerfurcht wie vor den Injektionen. Beim Anblick der vielen strahlenförmigen Runzeln in meinen Augenwinkeln fragte ich mich, ob Krähenfüße nicht zu Vogelgrippe führen könnten und schlimmer noch: Botox zu Rinderwahnsinn!
Zwei Stunden später, nach einem leckeren, mit Liebe zubereiteten, leichten Abendessen mit Carsten, der sich sehr über meine neue Ponyfrisur amüsierte, schminkte ich im Bad meine Augenschatten mit einem Abdeckstift weg. Zum Wimperntuschen hob ich die Augenbauen. Hä?! Sie bewegten sich nicht! Ich strich meine Haare aus dem Gesicht, ging ganz dicht an den Spiegel und zog die Stirn kraus. Nichts bewegte sich. Gar nichts! Wo mich vor wenigen Stunden noch tiefe Querfalten geärgert hatten, sah ich jugendliche und glatte Haut. Boah! Nicht eine Falte war auf meiner Stirn zu sehen! Die brauenhebenden Teufelsstiche schien Pfeiffer-Plönsgen ebenfalls mit Augenmaß gesetzt zu haben: Keine haarigen Mephisto-Dreiecke verunzierten mein neues Gesicht. Unterhalb der Augen bewegte sich jedoch alles wie immer. Ich war begeistert und fühlte mich jung und begehrenswert. Hoffentlich bemerkte Carsten nicht die Ursache dieses sensationellen Erfolgs, sonst würde ich in Erklärungsnot kommen!
Ich freute mich jetzt doppelt auf meine Comedy-Vorstellung. Wie immer würden einige Männer, von ihren Frauen nicht nur ins Kabarett, sondern dazu noch in die erste Reihe gezwungen, aufgeregt vor mir sitzen, in der Angst,
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