Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition)
rang.
»Du hangaschd dô, wia dr Spatz am Scheißheisle!«, kommentierte er prompt meinen kleinen Schwächeanfall. Dann lief er mit abgespreiztem Teekannenarm dreimal wippend im Kreis, wie ein Hund, der sich sein Plätzchen sucht, um dann elegant in den Schneidersitz zu gleiten. Er grätschte die Beine, forderte uns mit einem Kontrollblick in den Spiegel auf, es ihm gleichzutun, und federte mit seinem Oberkörper nach vorn.
»Und reschts, zwoie, droie! Und linksch, zwoie, droie! Und nach vorn, zwoie, droie!«
Zum ersten Mal an diesem unbefriedigenden Jazzdance-Nachmittag war ich glücklich über mein Spiegelbild. Geradezu stolz blickte ich auf meine fast im Männerspagat gespreizten Beine. Vor Freude bog und stretchte ich mich mit Elan in alle Richtungen und konnte mich gar nicht sattsehen an den anderen, jungen, aber steifen Möchtegern-Hüpfern. Wie verbogene Drahtbügel versuchten sie, ihre Körper in die vorgegebenen Richtungen zu quälen. Nur der vollschlanke Pubertätspickel hatte keine Mühe, denn sein Bauch berührte den Boden ohnehin. Als ich mit meinem Kinn fast das Parkett antippte, warf ich Fernando stolz einen »Auch im Alder geht noch einiges«-Blick zu, den er mit einem »Des isch no nia nix gwä«-Blick quittierte, um sich dann mit dem gesamten Oberkörper zwischen seine Beine auf den Schwingboden zu pressen! Boah, war der gelenkig! Sofort versuchte ich aufzuholen; drückte, quetschte und federte mit großer Wucht und einem süffisanten Lächeln in Richtung des Angeber-Schwaben. In der nächsten Sekunde spürte ich ein 32-mal geschliffenes China-Messer in meinem Hintern. Unbeschreibliche Schmerzen setzten dem Oberkörperpresswettbewerb von meiner Seite ein jähes Ende. Mein zur Grimasse verzerrtes Gesicht und mein lautes Stöhnen ließen das Fernando im »Schtretsching« innehalten. Es kroch auf allen Vieren zu mir. »Hascht Kreizweih?«
Ich funkelte ihn wütend an. »Ne, ich bin mopschfidel, verschtescht?« Fernando zog sein schwarzes Näschen kraus und schaute mitleidig, fast weinerlich.
»Du hast keine Schuld!«, murmelte ich versöhnlich, als der Schmerz nachließ. »Es geht gleich wieder!«
Ich schraubte mich in eine aufrechte Haltung und zog vorsichtig mein Knie Richtung Bauch. Die verletzte rechte Pobacke schmerzte nur noch wenig. Höchstens wie ein dreimal geschliffenes Kartoffelmesser.
»Dud’s noch arg weh?«
Die Augen aller Kursteilnehmerinnen waren auf mich gerichtet, und mir war nicht mehr nur meine Bekleidung peinlich. Ich hätte vor Scham in den Boden versinken wollen. Mein bescheuerter Ehrgeiz machte mich zur Witzfigur! Ich straffte die Schultern: »Nein, gar nicht. Ist alles wieder gut!«
Mit einem »Na denn. Ischt sowieso schon neizeah Uhr durch! Bis näschte Woch! Widdrsäa, Mädles! Ade!« verschwand unser Sklaventreiber aus dem Ballettsaal. Ich folgte ihm erhobenen Hauptes. Nur raus hier. Nie wieder Jazzdance für Fortgeschrittene!
Ich zog mich gar nicht mehr um. In meinem hinterfränkischen Tanzfetzen hinkte ich zum Auto und fuhr nach Hause.
Carsten hörte sich geduldig meine Fernando-Schimpftiraden an und schmierte mir fürsorglich meinen Hintern mit Mitteln ein, deren Geruch mich an Pflegestufe III erinnerte. Ich war ihm so dankbar dafür, wie ich es eigentlich nur bei einem Heiratsantrag sein wollte.
Und schlägt der Po auch Falten
Es ist erst elf Uhr vormittags. Von draußen dringt kaum Licht in meine Küche, in der wir uns gemeinsam einsam und sehr schweigsam vor dem Fernseher langweilen. Während ich auf die Mattscheibe starre, lasse ich meinen Gedanken freien Lauf. Carsten liegt als blasse Mumie vor mir auf dem Küchenfußboden und ist dankbar, dass er in meiner Nähe sein kann. Nach seinem nächtlichen Schneidemesser-Erlebnis hat er nicht mal mehr ein geeignetes Schmerzmittel, und die Zeit bis zum MRT-Termin und damit bis zur endgültigen Diagnose scheint nicht zu vergehen. Die zwei Tage seit dem Riesling-Unfall fühlen sich in ihrer Dauer an wie ein halbes Leben.
Bei Mumien-Carstens Anblick regt sich in mir tiefes Mitleid. Dass sich in mir nur selten sexuelles Verlangen regt, wundert mich aber nicht erst seit gestern. Ich wundere mich schon, seitdem ich irgendwo gelesen habe, dass wir Frauen in der Mitte des Lebens erst so richtig scharf werden. Wissenschaftler wollen herausgefunden haben, dass sich Frauen ab vierzig im Würgegriff ihrer Hormone befinden. Natürlich hat sich im Laufe der Jahre auch bei mir etwas geändert: Der Sex ist schöner, entspannter
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