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Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition)

Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition)

Titel: Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Meissner
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wackelte mit seinem Knackarsch und drehte die Handgelenke über dem Kopf. Ich mühte mich redlich, mit dem Po zu wackeln wie er. Ein Blick in den wandhohen Spiegel des Ballettsaales bestätigte meinen Verdacht, dass meine Bewegungen kaum denen des hüpfenden Schwaben vor mir und noch weniger denen Britney Spears’ ähnelten. Meine Arme und Beine machten einfach nicht, was ich wollte. Ich bewegte mich wie ein Mehlsack und verrenkte mir überdies die Finger. Offensichtlich war Fernandos Choreografie für mich »nicht altersgerecht«, sonst hätten diese modernen Schritte bei mir nicht so saudoof ausgesehen.
    »Muscht lächle, Mädel! Und ans, zwoie, droie! Achtung, komm neue Arm dazu!«
    O nee, nicht noch mehr Arme, ich hatte schon genug mit meinen eigenen zu tun! Während ich mit meinen Körperteilen kämpfte, änderte Fernando die Bewegungsrichtung seines in coole Jogginghosen gehüllten Mittelkörpers und schwang die »Arm« nun in doppelter Geschwindigkeit. Dann stützte er den linken ein und spreizte den rechten wie eine Teekannentülle vom Körper ab.
    »Und kleine Arm schwinge links, zwoie, droie!«
    Mein Tanzlehrer tänzelte, sprang kraftvoll in die Höhe, ließ sich auf den Boden fallen, federte wieder hoch, trippelte auf den Zehen wie eine Elfe, stampfte und drehte sich abschließend wie mein »RG 28«. Das ist mein vierundzwanzig Jahre alter Mixer: original DDR-Design, aber im Gegensatz zu mir immer noch schnell wie eine Nähmaschine.
    Endlich war die Musik vorbei. Ich hechelte wie bei einer Entbindung und fragte mich, was zur Hölle mich dazu veranlasst hatte, ausgerechnet heute Sport treiben zu wollen. Die Mädels links und rechts von mir, die ungefähr Flos Beuteschema entsprachen, kicherten. Ich hoffte nur, dass sie sich nicht über mich lustig machten. Mit meinem Ballettbody und den orangefarbenen Leggins aus alten Zeiten, als ich selbst noch Tanztraining gab und wir Titel von Michael Jackson, Madonna und Frank Sinatra vertanzten, passte ich schon optisch zwischen diese Hip-Hop-modischen Grazien wie Rumbalotte zur Techno-Disco.
    Fernando strahlte uns mit breitem Lächeln an. Seine Haut glänzte vom Schweiß, sein zum Pferdeschwanz gezwungenes Kräuselhaar stiezte über den Ohren widerspenstig vom Kopf ab.
    »So, Mädles, jetzt das Ganze nochomol, e bissele schneller!«, rief zu meinem Entsetzen unser schwarzer, schwuler und schwäbischer Tanzlehrer euphorisch. Er drückte die Play-Taste der Musikanlage, um uns ein weiteres Mal ohne klitzekleine Pause zu den Klängen von Brigidde zu hetzen. Mir und einer meiner jungen Leidensgenossinnen entfleuchte ein Stöhnen, das unserem Vortänzer mit Blick auf die sechzehnjährige, pubertätsverpickelte, adipöse Mitstöhnerin ein zickiges: »I hau scho viele Dürre sterba gseha, aber no koin Dicka blatza! Bewegt Eure Hinderdeile, hobb, hobb!«, entlockte. Fräulein Pubertätspickel machte dicke Backen, die anderen Elfen flatterten pflichteifrigst auf ihre Plätze. Um Fernandos Bösartigkeiten zu entgehen und wegen meines antiken Outfits verkrümelte ich mich unauffällig in die hinterste Reihe.
    »Und ans, zwoie, droie! Und ans, zwoie, droie!«
    Hoch, runter, auf’s Knie, Arm links und rechts und vor, zurück, Rücken schmerzte, Knie brannten, Atmung schnappte. Wie ein Fremdkörper wankte ich zwischen den gut aussehenden Brigiddes immer in die falsche Richtung, bis mich das Moppelchen in die Waden trat und ich eine Hüpfpirouette mit finalem Sturz aufs Parkett legte.
    »Zviel isch bittr im Alder, ond wenns Honig wär!«, ätzte Fernando tuntig, ohne auch nur eine Sekunde in seinen Handwedel- und Knackarsch-Drehabläufen innezuhalten. Eigentlich hätte ich sofort meinen Fuß mit einem gekonnten Spagatsprung in seine Nieren bohren müssen, dachte ich hasserfüllt. Mir fehlte leider die Kraft. Dabei hatte ich vor kurzem weder ein Koordinations- noch ein Konzentrations- noch ein Kraftproblem. Ich war im knappen Netztrikot und mit großen Federhauben über die Varietébühnen gewirbelt, wurde bestaunt und bewundert. Das war doch höchstens erst … fünfzehn Jahre her. Doch schon. Mist!
    Ich hechelte durch die dritte Wiederholung von Fernandos cooler Choreografie, meine Gesichtsfarbe glich der eines Feuerwehrautos, und mich beschlich das ungute Gefühl, dass gleich mein Kopf »blatze gönnde«.
    »So, Mädles, jetscht machma Schtretsching!« Die Stimme unseres schwäbischen Flummis überschlug sich fast vor Freude, während ich auf dem Boden sitzend nach Luft

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